Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)

Titel: Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liaquat Ahamed
Vom Netzwerk:
verblasste die Erinnerung, wie kurz das System in den USA vor dem Kollaps gestanden hatte, und der Drang zu Reformen ließ nach.
    1912 berief Davison, inzwischen Teilhaber bei Morgan, eine Expertenkonferenz ein, die einen formellen Plan zur Bildung einer amerikanischen Zentralbank entwickeln sollte – der dritten in der Geschichte des Landes. Er war frustriert durch den Mangel an Fortschritten und fürchtete, die nächste Panik werde noch katastrophaler ausfallen, falls sich nichts änderte. Nur fünf Männer wurden eingeladen. Neben Davison selbst waren es Senator Aldrich, Frank Vanderlip, der 48-jährige Präsident der National City Bank, der größten Bank des Landes, Paul Warburg aus der berühmten Hamburger Bankiersfamilie, ein 42-jähriger Partner von Kuhn Loeb, der, obwohl er erst kurz zuvor nach New York gezogen war, wohl der größte Zentralbankexperte in den USA war, A. Piatt Andrew Jr., der 39-jährige stellvertretende Leiter des Schatzamts, der Professor in Harvard gewesen war und die Kommission auf ihrer Studienreise durch Europa begleitet hatte und Benjamin Strong, der damals 39 Jahre alt war.
    Davison war besorgt, und zwar aus guten Gründen, dass man jeden Plan, der von einer Gruppe aus der Wall Street entwickelt wurde, sofort für das missratene Produkt einer Intrige von Bankiers halten würde. Daher entschied er sich dafür, das Treffen im Geheimen auf einer kleinen Privatinsel vor der Küste Georgias abzuhalten – womit er eigentlich genau diejenige Intrige der Banker schuf, die in der Öffentlichkeit auf so viel Misstrauen gestoßen wäre. Das Treffen wurde äußerst sorgfältig vorbereitet. Jeder Gast sollte sich am 22. November zur Hoboken Station in New Jersey begeben und in Senator Aldrichs privaten Eisenbahnwaggon einsteigen. Er hing am Zug nach Florida, und die Jalousien waren heruntergelassen. Die Gäste sollten nicht zusammen essen oder sich zuvor treffen, sondern einzeln und so unauffällig wie möglich einsteigen; alles sollte so aussehen, als sei man zur Entenjagd unterwegs. Als weitere Vorsichtsmaßnahme sollten alle nur ihre Vornamen verwenden. Strong war Mr. Benjamin, Warburg war Mr. Paul. Davison und Vanderlip gingen noch einen Schritt weiter und nahmen die deutlich für sich sprechenden Pseudonyme Wilbur und Orville an. Später bezeichneten sich die Mitglieder der Gruppe als »Vornamenclub«.
    In Brunswick, Georgia, verließen sie den Zug und wurden mit einem Boot nach Jekyll Island gebracht, einer der kleinen Inseln vor der Küste Georgias. Sie gehörte dem privaten Jekyll Island Club, der 1888 als Erholungsgebiet zum Jagen und als Winterwohnsitz für reiche Leute aus dem Norden gegründet worden war. Der Club wurde von einer Zeitschrift als »reichster, exklusivster und am wenigsten zugänglicher Club der Welt« bezeichnet, und er hatte nur etwa 50 Mitglieder, darunter J. P. Morgan, William Vanderbilt, William Rockefeller, Joseph Pulitzer sowie verschiedene Mitglieder der Familien Astor und Gould. Der Club nahm keine weiteren Bewerber mehr auf, die Mitgliedschaft wurde vererbt.
    In den folgenden zehn Tagen hatte die kleine Gruppe den Club mit seinem im Sommer ausgedünnten Personal für sich allein. Der Club war im Sommer geschlossen, und man würde ihn erst in einigen Wochen wieder für die anderen Mitglieder öffnen. Die Teilnehmer arbeiteten jeden Tag vom frühen Morgen bis Mitternacht im luxuriösen Clubhaus mit seinen fünf Meter hohen Wänden, zahlreichen Terrassen und Fenstern, aus denen man den Atlantischen Ozean sehen konnte. Sie aßen reichlich – Pfannen voll frischer Austern, Landschinken und wildem Truthahn – und feierten miteinander das Erntedankfest. Vanderlip schrieb später, dies sei der höchste Grad intellektuellen Bewusstseins gewesen, den er je erlebt habe. Als sich die Gruppe auflöste, wurde ein Eid der Geheimhaltung geschworen, der von allen geachtet und eingehalten wurde. Obwohl eine Zeitschrift vier Jahre später berichtete, dass es dieses Treffen gegeben hatte, gab in den darauf folgenden 20 Jahren keiner der Teilnehmer in der Öffentlichkeit zu, dass er dabei gewesen war.
    Der Plan, den sie in diesen zehn Tagen entwickelt hatten, und dessen letzte Details von Vanderlip und Strong ausgearbeitet wurden, wurde der Öffentlichkeit am 16. Januar 1911 verkündet und später als Aldrich-Plan bekannt. In seinem Mittelpunkt stand eine einzelne Institution, die National Reserve Association. Abgesehen vom Namen war sie nichts anderes als eine Zentralbank

Weitere Kostenlose Bücher