Die Herren des Geldes: Wie vier Bankiers die Weltwirtschaftskrise auslösten und die Welt in den Bankrott trieben (German Edition)
auch ein unseliges Talent dafür, in Skandale verwickelt zu werden; tatsächlich spielte er in den beiden bekanntesten »Affären« dieser verkommenen Ära eine Rolle. 1887 wurde bekannt, dass Daniel Wilson, Schwiegersohn von Präsident Jules Grévy, von seinem Büro im Elysée-Palast aus Orden verkauft hatte, darunter auch die Ernennung zum Ritter der Ehrenlegion. Rouvier war damals Premierminister, und obwohl er nicht direkt etwas mit dieser Sache zu tun hatte, wurde er zusammen mit dem verblüfften alten Präsidenten zum Rücktritt gezwungen.
Rouviers Exil war aber nur von kurzer Dauer. Zwei Jahre später saß er wieder als Finanzminister in der Regierung. 1892 ging allerdings die Panamakanal-Gesellschaft pleite, und etwa 800 000 französische Anleger verloren 200 Millionen Dollar. Die Ermittlungen deckten ein ganzes Netz der Korruption auf, dazu Schmiergeldfonds und Einflussnahme, die sich bis in die höchsten gesellschaftlichen und politischen Kreise in Paris verbreitet hatte. Man fand heraus, dass Rovier umfangreiche Geschäfte mit zwei zweifelhaften Figuren betrieben hatte, die im Zentrum der Affäre standen. Da war zum einen Baron Jacques de Reinach, ein deutscher Jude mit italienischem Adelstitel, der später unter mysteriösen Umständen starb, was man unglaubwürdigerweise als Selbstmord deklarierte, und zum anderen Cornelius Herz, ein fragwürdiger internationaler Abenteurer und Finanzier, der das Land prompt verließ. Während der folgenden parlamentarischen Untersuchung wurde Rouvier ebenso wie 104 andere Abgeordnete und zahllose Journalisten beschuldigt, Schmiergelder angenommen zu haben. Er verteidigte sich mit dem Argument, er habe das Geld nur genommen, weil das Projekt von nationalem Interesse gewesen sei. Zudem sei sein Vermögen dadurch nicht »ungewöhnlich stark gestiegen«. Zwar reichte die Beweislage für eine Verurteilung nicht aus, aber einmal mehr wurde Rouvier zum Rücktritt gezwungen und verbrachte die folgenden zehn Jahre abseits der Politik. Er war gerade erst rehabilitiert worden, als Moreau 1902 zum ersten Mal für ihn zu arbeiten begann.
Rouviers seltsame Auffassungen von öffentlicher Ethik hinderte Moreau niemals daran, diesen Mann zu bewundern. Zwar räumte er ein, sein »geliebter« Mentor habe an einer seltsamen Unfähigkeit gelitten, zwischen privaten Interessen und öffentlicher Verantwortung zu unterscheiden, meinte aber, Rouvier sei auch nicht schlimmer gewesen als jeder andere Politiker in dieser Zeit – ein Aspekt des allgemeinen »moralischen Verfalls«, der in politischen Kreisen sehr verbreitet war. Moreau ließ keinen Zweifel an seiner endlosen Dankbarkeit und Loyalität gegenüber Rouvier für die enorme Großzügigkeit, die er als junger Mann von ihm erfahren hatte.
1905 wurde Rouvier zum zweiten Mal Premierminister; Moreau war sein wichtigster Mitarbeiter und seine rechte Hand. Schon zwei Monate später sah sich die Regierung mit einer bedeutenden internationalen Krise konfrontiert. In diesem März besuchte der deutsche Kaiser Tanger, und er hatte die bedauerliche Angewohnheit, unüberlegte Dinge zu sagen. Er versuchte das Vordringen der Franzosen in Nordafrika in Frage zu stellen und verkündete seine Unterstützung der Unabhängigkeit Marokkos. Zunächst versuchte Moreau mit Deutschland zu verhandeln, aber der Kaiser, der Frankreichs Schwäche spürte, stellte immer höhere Forderungen. Als die Spannungen intensiver wurden, mobilisierte Deutschland seine Reservetruppen, und die Franzosen verlegten Teile ihrer Armee an die Grenze. In den folgenden Monaten betrieb Rouvier geschicktes Krisenmanagement. Dabei wahrte er nicht nur Frankreichs besondere Stellung in Marokko, sondern schaffte auch einen eleganten Ausstieg aus der Konfrontation mit Deutschland und brachte die ersten Gespräche mit den Briten in Gang, die später zum englisch-französischen Militärbündnis führen sollten. Für Moreau, der erst 36 Jahre alt war, stellte dies eine aufregende Erfahrung im Zentrum eines internationalen Sturms dar. Aber es war das Schicksal von Ministerien in der Dritten Republik, nur ein paar Monate zu überstehen, und die Regierung Rouvier wurde wenig später abgewählt.
In seinen mehr als 20 Jahren in der Politik hatte sich Rouvier viele Feinde gemacht, nicht zuletzt wegen seiner zweifelhaften Finanzgeschäfte. Jetzt, da Rouvier nicht mehr im Amt war, griffen diese Feinde Moreau an. Als er sich wieder für einen Posten im Finanzministerium bewarb, wurde er nicht
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