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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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der Byronismus noch neu war – sein Schicksal hätte sich selbst in dieser elften Stunde – vielleicht noch mildern lassen. Das darf zwar als Frage aufgeworfen, muß aber, meiner Ansicht nach, bezweifelt werden. Es stand in seinem Horoskop, daß er vor allen Schmerzen, ja selbst vor der Möglichkeit des Schmerzes, und sei es auf Kosten einer Gelegenheit zur Freude, zurückscheute; daß er ein schier römisches Pflichtgefühl sowie einen instinktiven Adel des Wesens und des Geschmacks besaß, kurz, daß er der Sohn Adam Weirs und Johanna Rutherfords war.
     
    II. Kirstie
    Kirstie war jetzt über fünfzig und hätte einem Bildhauer Modell sitzen können. Langgliedrig, immer noch leicht von Fuß, vollbrüstig und mit breiten Hüften, ohne einen einzigen Silberfaden in ihrem Goldhaar, war sie von denJahren verschönt und geliebkost worden. Kraft einer üppigen, starken Mütterlichkeit schien sie einem Helden zur Braut und zur Mutter seiner Kinder bestimmt; und siehe: durch eine besondere Tücke des Geschicks war sie einsam durch ihre Jugend geschritten und näherte sich jetzt, eine kinderlose Frau, den Grenzen des Alters. Alle zärtlichen Hoffnungen, die sie bei ihrer Geburt empfangen, hatten Zeit und Enttäuschungen in unfruchtbare Arbeitswut und in eine krankhafte Sucht, sich einzumischen, verwandelt. Sie trug ihre verdrängten Lebensenergien in ihre Hausarbeit hinein: sie wusch die Fußböden mit ihrem leeren Herzen. Konnte sie nicht mit Liebe eines einzigen Menschen Liebe gewinnen, so mußte sie wenigstens alle durch ihre Launen beherrschen. Hitzig, wortreich und jähzornig, lebte sie mit der Mehrzahl ihrer Nachbarn in unentschiedenem Streit und mit den übrigen in nicht viel mehr als bewaffneter Neutralität. Die Inspektorsfrau war »hochnäsig« gewesen; die Schwester des Gärtners, die ihm die Wirtschaft führte, »frech«, und sie schrieb durchschnittlich einmal im Jahr an Lord Hermiston mit der gebieterischen Forderung, die Missetäter zu entlassen, wobei sie ihr Verlangen durch einen Überfluß an Beweisen begründete. Denn man darf beileibe nicht annehmen, daß der Streit sich etwa auf die Ehefrau beschränkte, ohne den Mann einzubeziehen – oder daß Kirstie es bei des Gärtners Schwester bewenden ließ und nicht sehr bald den Gärtner selbst in die Fehde verwickelte. Das Ergebnis all dieser kleinlichen Zänkereien und heftigen Reden war, daß sie sich (ähnlich dem Leuchtturmwächter auf seinem Turm) gleichsam von den Tröstungen menschlichen Verkehrsausgeschlossen sah. Die einzige Ausnahme bildete ihre eigene schwer arbeitende Hausmagd, die als junges Ding, auf Gnade und Ungnade ihr ausgeliefert, sämtliche Launen der wetterwendischen Herrin ohne Klage über sich ergehen lassen mußte, bereit, Ohrfeigen wie Liebkosungen zu empfangen, so wie die jeweilige Stimmung es erheischte. Und Kirstie in dem warmen Spätherbst ihres Herzens, das sich nur widerwillig dem Alter unterwarf, sandten die Götter den zweifelhaften Segen von Archies Gegenwart. Sie hatte ihn von der Wiege her gekannt, hatte seine Ungezogenheiten weggestreichelt, aber sie war ihm seit seinem zwölften Lebensjahr und seiner letzten schweren Krankheit nicht wieder begegnet; daher fühlte sie sich jetzt angesichts dieses großen, schlanken, aristokratischen und leicht melancholischen jungen Herrn von zwanzig überrumpelt wie von einer neuen und unerwarteten Bekanntschaft. Er war »der junge Hermiston«, der »Gutsherr selbst«; er trug eine entschiedene Überlegenheit zur Schau; ein einziger kalter, gerader Blick seiner dunklen Augen schlug gleich zu Anbeginn der Frau cholerisches Temperament in Banden und schloß auf immer die Möglichkeit eines Streites aus. Er war neu und erregte daher ihre Neugier; er war zurückhaltend und hielt diese ständig wach. Und endlich war er dunkel und sie blond, er männlich und sie weiblich: der unversiegliche Quell allen Interesses.
    Ihr Gefühl für ihn hatte etwas von der sklavischen Treue einer Clansmännin, der Heldenverehrung einer unverheirateten Tante und der blinden Anbetung, die man einem Götzen schuldet. Er hätte alles von ihr verlangen können,Lächerliches und Tragisches, sie würde es für ihn getan haben und wäre glücklich dabei gewesen. Ihre Leidenschaft – denn es war nichts Geringeres als das – erfüllte sie vom Scheitel bis zur Sohle. Es war für sie ein wollüstiger Genuß, sein Bett zu machen, in seiner Abwesenheit seine Lampe anzuzünden, ihm die nassen Stiefel auszuziehen oder ihm

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