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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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nach seiner Rückkehr bei Tische aufzuwarten. Von einem jungen Manne, der also moralisch und physisch von dem Gedanken an eine Frau besessen wäre, hätte man mit Recht behauptet, er sei bis über beide Ohren verliebt, und er würde sich auch dementsprechend benommen haben. Kirstie jedoch – obwohl ihr Herz bei dem Klang seiner Schritte höher schlug, obwohl, wenn er ihr auf die Schulter klopfte, sie den ganzen Tag über strahlte –, Kirstie hatte keine Hoffnung und keinen anderen Gedanken als die Gegenwart und deren Fortsetzung bis in alle Ewigkeit. Bis an ihr Lebensende wünschte sie sich nichts Besseres, als mit Entzücken ihrem Idol dienen zu können und zum Lohne dafür (sagen wir, zweimal im Monat) auf die Schulter getätschelt zu werden.
    Ich sagte, daß ihr Herz höher schlüge – so lautet die gebräuchliche Redensart. Richtiger wäre es, zu sagen, daß, wenn sie sich allein in irgendeinem Zimmer befand und auf dem Korridor seinen Schritt hörte, etwas langsam in ihrem Busen höher stieg, bis ihr der Atem stockte, um dann ebenso langsam wieder in einem tiefen Seufzer zu ersterben, falls die Schritte an ihr vorübergingen und sie sich um ihren Herzenswunsch betrogen sah. Dieser ewige Hunger und Durst nach seiner Gegenwart hielt sie den ganzen Tag auf den Beinen. Wenn er des Morgens fortging,sah sie ihm mit bewundernden Blicken nach. Schritt der Tag vor und rückte die Zeit seiner Heimkehr heran, so stahl sie sich hinaus an die Gartenmauer und hielt dort manchmal stundenlang, mit der Hand die Augen beschattend, nach ihm Ausschau, nur um die köstliche und darre Freude zu genießen, ihn eine Meile entfernt über die Hügel reiten zu sehen. Hatte sie des Nachts das Feuer geschürt und versorgt, sein Bett aufgedeckt und sein Nachtzeug ausgelegt und gab es nichts mehr für seine Majestät zu tun, als seiner inbrünstig in ihren sonst recht lauen Gebeten zu gedenken und beim Schlafengehen über seine Vollkommenheiten, seine künftige Laufbahn und über die Frage nachzugrübeln, was sie ihm wohl morgen zum Essen vorsetzen sollte – ja, dann blieb ihr noch eine einzige Möglichkeit: ihm das Tablett mit dem Abendessen hineinzutragen und ihm gute Nacht zu wünschen. In solchen Fällen blickte Archie hin und wieder mit einem zerstreuten Kopfnicken und einem pflichtschuldigen Gruß, der in Wahrheit eine Entlassung bedeutete, von seinem Buche auf; mitunter jedoch – und allmählich immer häufiger – wurde der Band beiseite gelegt und ihr Eintritt mit einem erleichterten Aufatmen begrüßt; und sehr bald waren sie in ein Gespräch verwickelt, das sich bei dem schwindenden Feuer über die ganze Mahlzeit bis tief in die Nacht hinein erstreckte. Kein Wunder, daß Archie sich bei seinem einsamen Leben nach Gesellschaft sehnte; Kirstie ihrerseits führte sämtliche Künste ihrer kraftvollen Natur ins Treffen, um seine Aufmerksamkeit zu fesseln. Sie pflegte während des Mittagessens mit einer Neuigkeit zurückzuhalten, nur um beim Hereintragendes Abendbrottabletts damit herauszuplatzen und so gleichsam den Vorhang über der abendlichen Unterhaltung aufgehen zu lassen. Hatte sich ihre Zunge erst einmal in Bewegung gesetzt, so war sie ihres Erfolges sicher. Unmerklich glitt sie von einem Thema zu dem anderen hinüber, voller Angst vor der geringsten Pause; ja mitunter ließ sie ihm kaum Zeit zu einer Antwort, aus Furcht, er könne einen Wink zum Aufbruch einflechten. Wie so viele Leute ihres Standes war sie eine vorzügliche Erzählerin; ihr Platz war der häusliche Herd, aber sie verwandelte ihn in ein Rostrum, begleitete ihre Geschichten mit der entsprechenden Mimik und schmückte sie mit lebendigsten Einzelheiten aus, indem sie sie durch endlose »Sagt er« und »Sagt sie« verlängerte und ihre Stimme bei jeder Schilderung des Übernatürlichen oder Grausigen zu einem Flüstern dämpfte. Zum Schluß sprang sie dann mit geheucheltem Erstaunen auf, deutete auf die Uhr und rief: »Liebe Zeit, Mr. Archie! Wie spät es schon geworden ist! Gott verzeih mir tollem altem Frauenzimmer!« So brachte sie es durch geschicktes Manövrieren zustande, daß sie nicht nur diese nächtliche Unterredungen anknüpfte, sondern auch unfehlbar die erste war, sie abzubrechen. Dadurch gelang es ihr, sich zurückzuziehen, ohne von ihm fortgeschickt zu werden.
     
    III. Eine Familie aus den Grenzlanden
    Eine so ungleiche Vertrautheit ist von jeher in Schottland gebräuchlich gewesen, wo der alte Clansgeist sich erhalten hat; wo die Dienerin nicht

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