Die Herren von Hermiston
zufrieden, redete ich noch am nämlichen Abend in einer studentischen Vereinigung gegen die Todesstrafe. Das ist das ganze Ausmaß meiner Verfehlungen, und falls mehr gegen mich vorgebracht wird, kann ich nur meine Unschuld beteuern. Ich habe meinem Vater bereits mein Bedauern ausgesprochen; er ist so gütig, mein Betragen zu übersehen – gewissermaßen und unter der Bedingung, daß ich mein juristisches Studium aufgebe ...«
5 – Winter auf den Mooren
I. In Hermiston
Die Straße nach Hermiston führt auf weite Strecken durch das Tal eines Flüßchens, ein Lieblingsplatz der Angler und Mücken, voller Wasserfälle und Teiche, und von Weiden sowie einem natürlichen Birkengehölz beschattet. Hier und dort in großen Abständen zweigt ein Seitenweg ab, und man kann über irgendeiner Hügelfalte ein ödes Bauernhaus erspähen; größtenteils jedoch ist die Straße menschenleer und das Hügelland unbesiedelt. Die Gemeinde Hermiston ist eine der am dünnsten bevölkerten in Schottland; und ist man erst bis zu ihr vorgedrungen, wundert man sich kaum noch über die beispiellose Kleinheit der Kirche, eines zwergenhaften, uralten Baues mit etwa fünfzig Sitzplätzen, der zwischen einigen vierzig Gräbern auf einem grasbewachsenen Platz neben dem Bache steht. Das ganz in der Nähe gelegene Pfarrhaus ist, obwohl kaum größer als ein Bauernhaus, von der Farbenpracht eines Ziergartens und von den Strohdächern zahlreicher Bienenkörbe umgeben; und die ganze Ansiedlung – Kirche und Pfarrhaus, Garten und Friedhof – findet Schutz und einen Hafen in einem Hain von Ebereschen. Dort ruht sie jahraus, jahrein in einer großen Stille, unterbrochen nur von dem Summen der Bienen, dem Plätschern des Baches und den sonntäglichen Kirchenglocken.Eine Meile jenseits der Kirche entwindet sich die Straße über eine steile Anhöhe dem Tal und führt den Reisenden bald darauf nach dem Herrensitz Hermiston, wo sie in dem rückwärts gelegenen Hof vor der Wagenremise mündet. Jenseits und in der Runde dehnt sich das weite Feld der Hügel; Kiebitz, Moorhuhn und Lerche bevölkern es mit ihrem Schrei; der Wind bläst dort wie in einer Schiffstakelung, hart und kalt und rein; und die Hügelkämme drängen sich dicht aneinander gleich einer Viehherde bei Sonnenuntergang.
Das Haus war sechzig Jahre alt, unansehnlich und behaglich; links lagen der Wirtschaftshof und ein Küchengarten mit einer Spaliermauer, an der kleine, harte, grüne Birnen gegen Ende Oktober ihre Reife erreichten.
Das zum Hause gehörende Grundstück (wer hätte den Mut, es einen Park zu nennen?) war ziemlich ausgedehnt, aber sehr schlecht erhalten; Heide- und Moorgeflügel hatten die trennende Mauer durchbrochen und mehrten sich und nisteten darinnen; es hätte einem Landschaftsgärtner viel Kopfzerbrechen verursacht, anzugeben, wo das Grundstück endete und die ungepflegte Natur begönne. Mylord hatte sich durch Herrn Sheriff Scott zu ziemlich weitläufigen Anpflanzungen bewegen lassen; viele Hektar Landes waren daher mit jungen Tannen bestanden, und die kleinen, grünen Federbesen verliehen der Heide einen falschen Maßstab und ein seltsames, spielzeugähnliches Aussehen. Eine starke, würzige Süße von den Torfmooren erfüllte die Luft, und zu allen Jahreszeiten durchzitterte sie die unendliche Melancholie pfeifender Vogelstimmen. In seiner hohen, ungeschützten Lagewar es ein kaltes, rauhes Haus, von Wetterstürzen gewaschen, von unermüdlichen Regengüssen durchnäßt, welche die Dachrinnen Wasser speien ließen, gezaust, geprellt von sämtlichen Winden des Himmels, und die Aussicht war oft schwarz von Gewittersturm und weiß von dem Schnee des Winters. Aber das Haus war wind- und wetterfest; die Kamine waren stets freundlich erhellt, die Räume von glühenden Torffeuern durchwärmt, und Archie konnte an den Abenden, wenn er das Feuer aus dem erdigen Stoff erblühen sah und beobachtete, wie der Rauch sich den Schornstein hinaufschlängelte, tief von den Genüssen der Behaglichkeit trinken, während draußen auf der Heide der Wind trompetete.
So einsam der Ort auch war, Archie verlangte es nicht nach Nachbarn. Allabendlich konnte er, wenn der Sinn ihm danach stand, sich ins Pfarrhaus hinunter begeben. Dort trank er dann seinen Toddy mit dem Pastor – einem »spinneten« uralten Herrn, hochgewachsen, hager, aber noch immer rüstig, obwohl das Alter ihm die Knie gelockert hatte und seine Stimme sich fortwährend in kindischen, zitternden Fisteltönen überschlug
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