Die Herren von Hermiston
mit Hoffnungen, wortlos und schmeichelnd, die sich eng an ihr weiches Herz schmiegten und an ihm zehrten, Hoffnungen, die sie sich selbst niemals zugestanden hätte, und wäre es um ihr Leben gegangen. Sie riß ihre Haube herunter, und ihr Haar fiel in üppiger Fülle um ihre Schultern. Unsterbliche Koketterie erwachte. Im matten Schein der nächtlichen Kerze stand sie vor ihrem Spiegel, die edlen Arme über dem Haupte erhoben, und sammelte den Schatz ihrer Flechten ein. Sie war nie zimperlich in ihrer Bewunderung von sich selbst; jene Art Bescheidenheit war ihr fremd, und sie hielt erfreut und überrascht bei diesem Anblick inne. »Du verrücktes, altes Frauenzimmer!« sagte sie zu sich selbst, damit einen Gedankenbeantwortend, der doch nicht wirklich war, und sie errötete mit der Unschuld eines Kindes. Hastig band sie die schweren, leuchtenden Flechten auf, hastig zog sie einen Morgenrock an und stahl sich, Kerze in der Hand, in den Korridor. Von unten hörte sie die Uhr ihre gemessenen Sekunden ticken und Frank mit den Karaffen im Speisezimmer klirren. Feindschaft, bitter und jäh, stieg in ihr auf. »Ekliger, versoffener kleiner Köter!« dachte sie; im nächsten Moment hatte sie vorsichtig an Archies Zimmertür geklopft und die Aufforderung, einzutreten, erhalten.
Archie hatte hinaus in die uralte Nacht gestarrt, hier und dort von einem glanzlosen Stern erhellt; tief sog er die süßduftende Luft der Heide ein, suchte und fand vielleicht auch den Frieden der Unglücklichen. Er wandte sich bei ihrem Eintritt um und zeigte gegen den Fensterrahmen sein bleiches Gesicht.
»Bist du es, Kirstie?« fragte er. »Tritt nur näher!«
»Es ist schon unheimlich spät, Kind«, erklärte Kirstie mit erheucheltem Widerstreben.
»Nein, nein«, antwortete er, »durchaus nicht. Komm nur herein, wenn du einen Schwatz halten willst. Ich bin, weiß Gott, nicht schläfrig!«
Sie kam näher, nahm einen Stuhl neben dem Toilettentisch und stellte die Kerze vor sich auf den Boden. Etwas vielleicht ihre zwanglose Kleidung, vielleicht die Erregung in ihrer Brust – hatte sie mit dem Zauberstab der Verwandlung berührt; sie schien jung, von der Jugend der Göttinnen.
»Mr. Archie«, hub sie an, »was ist Ihnen nur?«
»Ich wüßte nicht, daß mir irgend etwas wäre«, entgegneteArchie errötend und bereute sogleich bitterlich, sie eingelassen zu haben.
»Ach, liebes Kind, so geht es nicht!« sagte Kirstie. »Wer liebt, den kann man nur schwer täuschen. Ach, Mr. Archie, überlegen Sie's wohl, eh es zu spät ist. Sie sollten nicht gierig sein nach den guten Dingen des Lebens; die werden alle kommen, jedes zu seiner Zeit, wie die Sonne und der Regen. Sie sind ja noch so jung; Sie haben eine hübsche Anzahl Jahre vor sich. Achten Sie darauf, daß Sie nicht gleich zu Anfang, wie so viele andere, Schiffbruch erleiden! Haben Sie nur Geduld – mir hat man immer gesagt, das wäre die Hauptsache im Leben –, nur Geduld, der Sonnenschein kommt noch. Gott weiß es, mir ist er nie gekommen; hier sitze ich ohne Mann oder Kind, das ich mein eigen nennen könnte, und plage die Leute mit meiner giftigen Zunge. Sie vor allen anderen, Mr. Archie!«
»Ich weiß wirklich nicht, was du willst«, meinte Archie.
»So will ich's denn sagen«, erklärte sie. »Es ist dies und nichts weiter: Ich fürchte mich. Ich fürchte für Euch, Lieber. Vergeßt nicht, Euer Vater ist ein harter Mann, der erntet, wo er nicht gesät, und einsammelt, wo er nicht gepflanzt hat. Reden ist leicht, aber hütet Euch! Ihr werdet eines Tages in sein finsteres Gesicht schauen, wohin schwer und vergeblich blicken ist auf der Suche nach Erbarmen. Ihr erinnert mich an ein schönes Schiff weit draußen auf dem schwarzen und stürmischen Meer – es kann Euch nichts geschehen, solange Ihr still mit Kirstie in Eurer Kammer schwatzt; aber wo werdet Ihr am Morgensein, in welch fürchterlichem Ungewitter, darinnen Ihr die Berge anflehen werdet, Euch zu bedecken?«
»Aber Kirstie, du sprichst heute nacht ja in Rätseln, und sehr beredt obendrein«, warf Archie dazwischen.
»Mein lieber Mr. Archie«, fuhr sie mit veränderter Stimme fort, »Ihr müßt nicht denken, daß ich nicht mit Euch fühle. Ihr müßt nicht denken, daß ich nicht selbst mal jung gewesen bin. Vor langer Zeit, als ich noch ein dummes Ding war, noch keine zwanzig –« sie schwieg und seufzte – »sauber und frisch, mit einem Fuß so leicht wie eine Biene, war ich auch schon groß und stattlich, glaubt mir; ein
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