Die Herrin der Flammen
Dann lachte sie, und auch das Lachen war finster, aber es schwang eine Spur Bedauern mit. »Ritterlich?«
»Vernunft. Ein Pfeil…«
»Ihr habt mich nicht überrascht.« So viel sagte sie selten. Sie war es nicht gewöhnt, sich zu rechtfertigen oder sich überhaupt anderen mitzuteilen. Daß sie es bei diesem Mann tat, erstaunte sie selbst unbewußt. Sie verspürte so wenig direkt. Nur ihre Bewußtheit war allgegenwärtig wie ein ständig schwach zitterndes Netz. Aber möglicherweise wußte er das oder ahnte es. Vielleicht hatte sie ihm deshalb geantwortet, weil sie in dieser Bemerkung eine tiefere Frage vermutete, als die meisten hätten stellen können. Er war Schatten für sie. Sie war Schatten für ihn. Sie hatten keine und jede Identität in Freistatt, der Stadt mitternächtlicher Begegnungen, ständigen Kämpfens, unentwegter Ränke.
»Ich heile«, sagte er leise in einem Ton, der bis zu den Knochen drang. »Das ist mein Fluch.«
»Ich brauche es nicht«, entgegnete sie ebenso leise. »Das ist meiner.«
Er schwieg einen Augenblick. Vielleicht dachte er darüber nach. Dann: »Ich sagte, daß wir sie ausprobieren werden – deinen und meinen Fluch.«
Sie schauderte. Er war ein Mann, der durch Schlachtfelder und Blut stapfte, der Sturm und Grau war gegenüber ihrer Stille und tiefen Schwärze; ein Mann, der fast immer von Männern umgeben war, der verflucht war mit zu viel Liebe und zu vielen Wunden. Er war der personifizierte Gegensatz: das Licht und die Finsternis. Und sie kehrte so schnell zu Stillstand und Kälte zurück, allein.
»Ihr habt die Verabredung versäumt«, sagte sie. »Und ich warte nie. Ihr braucht Euch an die Abmachung nicht gebunden fühlen. Das hätte ich Euch gleich da gesagt. Was ich tat, tat ich. Aus meinen Gründen. Am klügsten wäre es, wenn wir einander fernbleiben.«
Sie drehte sich um und ging weiter. Doch der Tros sprang vorwärts wie von einer Hornisse gestochen, und Tempus machte schattengleich einen Bogen, um sich ihr in den Weg zu stellen.
Eine andere Frau wäre vielleicht zurückgewichen. Sie aber stand ganz still. Vielleicht dachte er, sie ließe sich bluffen, vielleicht war es Teil eines finsteren Spiels; aber in seinem Schweigen las sie eine andere Wahrheit.
Es war die Herausforderung. Es war die nicht zu befriedigende Frau. Der Mann, der (wie viel zu viele andere) zu einem Teil sie fürchtete, zu einem anderen abgewiesen zu werden und dessen Gottum bereits durch ihre Existenz in Frage gestellt wurde.
»Ich verstehe«, sagte sie schließlich. »Es geht nicht um Eure Männer, die Ihr mir damit abkaufen wollt.«
Danach herrschte drohendes Schweigen. Das Pferd schnaubte heftig und bäumte sich leicht auf. Aber er verlor weder seine Fassung noch die Kontrolle über das Tier.
Gekränkt war er weniger Sturm denn Mann, ein anständiger Mann, dessen Selbstachtung auf dem Spiel stand, der nun tatsächlich an die Leben und Seelen dachte, die er sich entschlossen hatte zu kaufen. Er war zwei Männer; oder ein Mann und ein viel unvernünftigeres Wesen.
»Ich begleite Euch nach Hause«, sagte er wie der abgewiesene Freier einer Müllerstochter. Und in diesem Augenblick mit der gleichen Endgültigkeit und im gleichen entsagungsvollen Tonfall. Doch es würde nicht bei der Gartentür bleiben. Sie konnte zwar nicht in die Zukunft sehen, aber sie kannte Männer, und sie wußte, daß er das um seines Selbst willen gesagt und angeboten hatte, in seinem ewigen Privatkrieg – mit dem Sturm. Mann der Grau- und Halbtöne. Er quälte sich selbst, weil er nur so gewinnen konnte.
Einen solchen Kampf verstand sie. Sie führte ihn selbst in ihrer eigenen kalten Finsternis. Sie verschob Dinge nur von einem Tag auf den anderen, weil sie wußte, daß sie am nächsten ihrem Appetit nicht Herr werden konnte; aber am dritten würde sie die Dinge wieder im Griff haben. So lebte sie nach den Gezeiten und Rhythmen des Mondes, und weil sie das wußte, hielt es sie von zerstörerischen Verlockungen ab.
»Nein«, entgegnete sie. »Ich finde allein nach Haus. Morgen nacht. Kommt morgen.«
Sie wartete. In seinem prekären Gleichgewicht, in seinem Kampf, wies sie ihn auf eine Erprobung dieses Gleichgewichts hin, und sie wußte sogar, in welche Richtung seine Seele glitt.
Er kämpfte dagegen an. Sie hatte nicht gewußt, ob er es könnte, aber sie war sicher gewesen, daß er es versuchen würde. Sie kannte den stummen Grimm in ihm, eine Hälfte gegen die andere, und beide befürchteten Schmach. Aber da
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