Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Herrin der Flammen

Titel: Die Herrin der Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
Vom Netzwerk:
sie ja ein Recht auf ihren Schlaf hatten. Und plötzlich flatterten alle panisch auf. Stilcho, der im Dunkeln nackt vor diesem Fensterschlitz stand, zuckte zusammen. Die Vögel drängten sich flügelschlagend durch die schmale Öffnung hinaus in die Dunkelheit. Etwas hatte die Vögel, die sonst nur tagsüber den Dachboden verließen, in Panik versetzt.
    Er schauderte, verkrampfte die Hände um das Fensterbrett und blickte auf die Frau, die ohne Decke auf dem verschwitzten Bettuch lag. In diesem Loch im zweiten Stock war man eher bewußtlos, als daß man schlief. Die abgestandene Luft stank nach menschlichen Ausscheidungen und Generationen von ungewaschenen Bewohnern. Aber eine andere Unterkunft hatten sie nicht, Moria und er. Er war noch am Leben. Moria hatte alles verkauft, was sie hatte, und ging ihrem alten Handwerk nach, was ihm furchtbare Angst machte, denn auch in Freistatt hängte man Diebe, wenn man sie erwischte, und Moria war aus der Übung. Sie rührte sich. »Stilcho«, murmelte sie. »Stilcho.«
    »Schlaf weiter.« Wenn er jetzt zu ihr ging, würde sie seine Verkrampfung spüren und wissen, daß ihn grauenvolle Angst quälte. Aber sie stand auf. Die Holzstützen, um die sie einem Netz gleich Seile gespannt hatten, knarrten. Sie kam zu ihm, schmiegte den schweißgebadeten, müden Körper an seinen und schlang die Arme um ihn. Trotzdem hörte sein Zittern nicht auf, und sie spürte es.
    »Stilcho!« Nun schwang Angst aus ihrer Stimme. »Stilcho, was ist los?«
    »Ein Alptraum«, antwortete er. »Nur ein Traum, nichts weiter.« Er hielt sie fest, war dankbar für ihre feuchte Wärme an seiner Haut. Wärme des Lebens. Glut der Leidenschaft. Er war Ischade entflohen, Magiern entflohen und jenen Kräften, die ihn als ihren Boten zur Hölle benutzt hatten. Er lebte wieder, aber ein Auge war tot; eines sah die Lebenden, doch das andere…
    Wieder erschauderte er. Er hatte heute nacht in die Hölle geblickt.
    »Stilcho.«
    Er drehte sich mit dem Rücken zum Fenster. Es fiel ihm schwer, seine nackten Schultern waren der Nachtluft ausgesetzt, aber schlimmer noch, sein Gesicht war der tieferen Dunkelheit im Raum zugewandt, in der sein lebendes Auge blind war. Dann sah sein anderes um so deutlicher – und was sich dort bewegte, nahm plötzlich klarere Form an.
    »O Götter! Sie haben etwas auf die Stadt losgelassen! Moria, etwas bewegt sich durch die Stadt…«
    »Was? Was denn?« Moria, die Diebin, faßte seine Arme mit plötzlich harten Händen und schüttelte ihn, soweit sie ihn überhaupt zu bewegen vermochte. »Stilcho, hör auf, hör auf, hör auf!«
    Das Baby brüllte jetzt aus dem Fensterschlitz weiter unten im Luftschacht. Die Armen teilten notgedrungen ihren Krach, ihre Auseinandersetzungen mit den Nachbarn, die wie sie in Elendsquartieren hausten, wo selbst leise Stimmen durch die dünnen Wände zu hören waren.
    »Pst«, sagte er. »Es ist schon gut.« Doch das war eine Lüge.
    »Wir sollten zu IHR zurückkehren. Wir sollten…«
    »Nein!« In diesem Punkt war er eisern. Und wenn sie beide verhungerten.
    Doch manchmal, in Nicht-ganz-Träumen, spürte er Ischades Berührung so fest, wie er sie immer gespürt hatte, und vermutete voll Unbehagen, daß sie genau wußte, wo ihre entflohenen Dienstboten sich aufhielten.
    »Wir hätten ein Haus«, gab Moria zu bedenken und brach in Tränen aus. »Wir wären sicher vor dem Gesetz.« Sie grub ihr Gesicht in seine Brust und drückte ihn ganz fest an sich. »Ich komme von hier! Ich kann nicht mehr so leben, es stinkt, Stilcho, es stinkt, und ich stinke, und ich bin müde und kann nicht schlafen…«
    »Nein!« Da war wieder seine Vision. Rote Augen stierten ihn aus der Schwärze an. Er versuchte, den Blick davon abzuwenden, aber es wurde immer wirklicher. Er wollte es verdrängen; er drehte sich zu dem Rest Sternenlicht um und krallte die Finger ins Fensterbrett, bis sie schmerzten. »Zünd die Lampe an.«
    »Wir haben kein…«
    »Zünd die Lampe an!«
    Sie ging, und er hörte sie mit der Zunderschachtel und dem Docht hantieren, und er versuchte an Licht zu denken, an irgendein reines, gelbgoldweißes Licht: das der Sonne am Morgen, das der brennenden Sommersonne, irgendwas, das die Kraft hatte, die Dunkelheit zu vertreiben.
    Doch die Sonne, die er sich dort in der Dunkelheit mit seinem lebenden Auge ausmalte, rötete, spaltete sich, dehnte sich aus und erlosch in tiefster Finsternis, kehrte jedoch in vertrautem Schein zurück.
    Es dauerte eine Zeitlang, bis die

Weitere Kostenlose Bücher