Die Herrin der Kathedrale
Fällen wie diesen ist ein männlicher Vertreter vorgesehen.« Auffordernd blickte er seinen zweiten Heerführer neben dem Altar an.
Hier und jetzt ein Schwertkampf? Unsicher schaute Ekkehard vom Kaiser zum Schwager, der ihn siegessicher angrinste. Esiko war ein kräftig gebauter Mann, dem er nie im Kampf begegnet war. Sie hatten stets miteinander, nicht gegeneinander das Schwert geführt. Aber Ekkehard fühlte sich seit dem Italienfeldzug entkräftet und sein Leben geben für … betreten blickte er zu Boden.
Uta sah den Gatten entsetzt an. Da trat die Kaiserin in die Vierung hinab und blickte ins Langhaus. »Wer nimmt für die Gräfin den Kampf gegen den Grafen von Ballenstedt auf?«
Getuschel setzte ein, Finger zeigten mehrfach umher.
Doch niemand trat hervor.
»Das ist ein Zeichen meiner Unschuld, Kaiserliche Hoheit!«, sagte Esiko beruhigt. »Dem Allmächtigen ist diese Streitfrage nicht einmal einen Kampf wert.« Surrend ließ er sein Schwert in die Scheide zurückgleiten.
»Sofern niemand bereit ist, das Gottesurteil auszufechten, müsst Ihr, Gräfin Uta, die Anklage fallenlassen«, verkündete der Kaiser daraufhin.
Utas Finger krallten sich in den Stoff ihres Gewandes. Nach zwanzig Jahren hatte sie es endlich geschafft, den Mörder der Mutter mit einem Beweis vor dem kaiserlichen Gericht anzuklagen, und nun sollte alles vorbei sein, nur weil Ekkehard nicht zu ihr hielt? Niedergeschlagen schaute sie zu der Kerze auf dem Altar. »Kaiserliche Hoheit, dann muss ich hiermit …«
»Ich kämpfe für Uta von Ballenstedt!«, drang da eine Stimme aus einer der hinteren Reihen im Langhaus, die auch die Kaiserin, die sich gerade fassungslos an ihren Gatten wenden wollte, innehalten ließ.
Die Anwesenden wandten sich um und schauten auf einen Mann, der einfache Beinkleider und ein leinenes Obergewand trug. Das dunkle Haar reichte ihm weit über die Brust.
»Hermann?«, ungläubig formten Utas Lippen seinen Namen. Hermann trat durch die Schneise der Kämpfer, die ihn seit seinem Eintritt ins Georgskloster nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten. Immer mehr schienen ihn zu erkennen und sprachen seinen Namen aus. Einige senkten sogar ehrerbietig das Haupt vor ihm. In der Vierung angelangt, verbeugte sich Hermann vor der Kaiserin und trat dann die Stufen in den Ostchor hinauf, um das Gleiche vor dem Kaiser zu tun. Ekkehard überging er. Stattdessen kam er vor Uta zum Stehen.
» Dies diem docet , Uta von Ballenstedt.«
Utas Gesicht hellte sich auf. »Dies diem docet, Hermann von Naumburg«, erwiderte sie und fühlte ihr Herz noch heftiger schlagen, als es dies angesichts der bedrückenden Situation ohnehin schon getan hatte.
»Du hast mir meinen Traum erfüllt«, sagte er leise und schaute sie, ungeachtet der aufmerksamen Augenpaare um sie herum, sehnsuchtsvoll und vertraut wie einst an. »Jetzt unterstütze ich dich bei deinem.«
Unter Ekkehards ungläubigem Blick nickte Uta. Der war hin- und hergerissen bei dem Gedanken, entweder das Leben seines Bruders oder das eigene aufs Spiel setzen zu müssen, doch Esikos siegessichere Ausstrahlung ließ seinen kurz entflammten Mut auch schon wieder sinken. »Aber Bruder, du hast seit sechs Jahren kein Schwert mehr geführt …«, setzte er an, als Hermann bereits zum Kaiser sagte: »Ich bin bereit«, und sich dann zu Esiko umdrehte.
»Der Zweikampf wird mit dem Schwert geführt«, ließ der Kaiser daraufhin wissen und wies einige Bewaffnete an, den Platz in der Vierung frei zu machen und zu umstellen. Hermann, der unbewaffnet zur Weihe gekommen war, wurde ein Langschwert gereicht. Esiko trat die Treppen des Ostchores hinab in die Vierung. Als sein Blick über die im Lang- und Querhaus dichtgedrängten Menschen glitt, entdeckte er Katrina. Wenn das alles hier vorbei ist, dachte er, würde er sich ihr endlich annehmen. Grinsend wandte er sich an Uta. »Ich werde dir zeigen, dass die Mutter den Tod verdient hat«, sagte er leise, während alle anderen auf Hermann schauten, der sich nun ebenfalls in die Vierung begab.
Dass der eigene Bruder so rachsüchtig sein konnte, ließ Uta in ihrem tiefsten Inneren erschaudern – doch nach außen hin ließ sie sich nicht das Geringste anmerken. Stattdessen nickte sie zum Zeichen der Bereitschaft, Gottes Urteil über ihr eigenes Schicksal wie auch das des Bruders hinzunehmen.
»Es wird mit dem langen Schwert gekämpft«, erklärte Konrad die Regeln und nahm mit Gisela wieder auf dem Thron Platz. »Zugeschlagen werden darf mit dem
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