Die Herrin der Kathedrale
wollte Notburga gerade aufbegehren, als Gisela sie mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte. »Es geht um die Herrgottsgnade, die ich Gräfin Uta wegen ihrer Unterleibsschmerzen gab«, erklärte Schwester Margit.
»Also doch!«, sagte Ekkehard wütend.
»Ja«, bestätigte Margit. »Sie hatte Unterleibsschmerzen, die durch allzu grobe«, sie sprach leiser weiter, »durch allzu grobe körperliche Vereinigung verursacht wurden.«
»Was?«, fuhr Ekkehard auf. »Das kann nicht sein!«
Gisela schenkte ihm jedoch keine Beachtung, stattdessen nickte sie Margit aufmunternd zu.
»In den geringen Mengen, in denen ich der Gräfin von der Herrgottsgnade gab«, erklärte Margit nun wieder lauter, »wirkt sie lediglich schmerzlindernd. Hinzu kommt, dass wenn das Kraut einmal geschnitten ist, es rasch verwelkt und an Kraft verliert. Die Gräfin war zudem bei mir, um sich eine Wurzel für die Zeugungsfähigkeit geben zu lassen. Sie trank diese als Aufguss mit Wasser. Immer dann, wenn Graf Ekkehard seine Rückkehr angekündigt hatte.«
Uta spürte Erleichterung in sich aufsteigen und blickte Esiko an, der die Hildesheimerin gerade mit einem vernichtenden Kopfschütteln bedachte.
Dieser Angriff ist misslungen, dachte Notburga und schaute niedergeschlagen auf Esiko, der ihr bereits den Rücken zugedreht hatte. Nach einem hasserfüllten Blick zu Uta schritt sie erhobenen Hauptes wieder an die Seite von Äbtissin Adelheid zurück. Derweil dankte Gisela Schwester Margit für die Erläuterungen und bat sie, sich wieder hinter den Altar zu den anderen Schwestern des Moritzklosters zu begeben. Gisela schritt vor Uta. »Stimmt das, Gräfin?«, fragte sie. »Ihr habt Euch eine Wurzel für die Zeugungsfähigkeit geben lassen?«
Uta nickte. Giselas Stimme hatte wie einst auf den Hügeln Roms geklungen – ein wenig unsicher, aber dennoch ernst.
»Ich habe keine Sünde begangen, Kaiserliche Hoheit.«
»Dann wollen wir uns nun wieder der Weihe …«, begann Erzbischof Humfried, wurde aber jäh von dem aufgebrachten Esiko unterbrochen: »Du bist sündig, seitdem du vor zwanzig Jahren im Wald deine Jungfernschaft hergegeben hast!«, schrie er und trat wütend auf Uta zu. Dabei erinnerte er sich, wie er den Vater mit der Jagdgesellschaft einst in den nördlichen anstatt in den südlichen Buchenforst gedrängt hatte. Eigentlich hatte er im Stall nur seine Kurzaxt für die bevorstehende Jagd schärfen wollen, als er Utas Bitte an den Stallmeister vernommen hatte. Worauf er kurzerhand seine nur an einer Schneidseite geschärfte Axt in der Satteltasche verstaut hatte, um den Ereignissen einen von ihm gelenkten Lauf zu geben. Er wusste noch gut, wie sehr es ihn ein Jahr nach diesem Vorfall befriedigt hatte, Volkard aus dem Hardagau in einem lapidaren Gefecht dafür als Dankeschön den Kopf vom Rumpf zu trennen.
»Das ist eine Lüge.« Utas Blick blieb auf dem Bruder haften.
»Eine Lüge?«, entgegnete Esiko abwertend. »Du machst uns allen hier doch nur etwas vor! Spielst Bauzeichnerin, versagst deinem Gatten den ersehnten Erben und stürzt auch noch die Kathedrale des kaiserlichen Heeres in Unehre!« Mit diesen Worten deutete er auf die Kämpfer im Langhaus.
»Das ist nicht wahr!«, wehrte sich Uta und merkte, wie ihr Puls heftiger schlug.
»Du kannst uns deine Unschuld nicht beweisen! Damit bist du so gut wie verurteilt.« Esiko grinste triumphierend. Jetzt konnte er endlich vollenden, was er lange zuvor begonnen hatte: Er würde seine Schwester, die ihm die Liebe der Mutter gestohlen hatte, besiegen.
Uta spürte, dass ihr die Situation entglitt. Dabei hatte doch sie den Bruder anklagen wollen und nicht umgekehrt. Nun stand sie selbst als Angeklagte da und verzweifelte. Was war das nur für eine Welt, in der einem kaiserlichen Heerführer die Möglichkeit zur beweislosen Anklage ohne weiteres zugestanden wurde, während ihr als Frau nur der Rückzug oder die Unterwerfung blieb? Sollte Gerechtigkeit nicht für jedermann in gleicher Weise gelten und jede Anklage grundsätzlich mit Beweisen belegt werden müssen?
»Sprich den Reinigungseid!«, forderte Esiko kühl.
Uta erstarrte. Den Eid sollte sie sprechen?
»Die Verweigerung des Reinigungseides ist erst recht ein Gottesurteil«, fuhr er fort. »In diesem Fall bist du schuldiger, als es ein gewöhnlicher Sterblicher überhaupt sein kann.«
Das sind einst auch die Worte des Vaters gewesen!, schoss es Uta durch den Kopf. Verunsichert versuchte sie, Wigbert in der Masse auszumachen,
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