Die Herrin der Kelten
Ende des Winters und einen friedlichen Frühlingsanfang bitten.«
X
Der Winter jenes Jahres nahm weder ein schnelles noch ein ruhiges Ende. Die Kälte und der Nahrungsmangel sowie der Umstand, dass zu viele Menschen auf zu engem Raum schliefen, machten die Tage endlos lang und die Nächte äußerst ungemütlich. Wie Macha bereits vorausgesehen hatte, erregte die Ankunft des Römers weitaus weniger Aufsehen als der aufwieglerische Sohn des Sonnenhunds. Der Fremde mochte zwar ein Krieger und ein Feind sein, aber seine Abstammung war unbekannt und sein Name war nicht schon seit drei Jahren ein Schlagwort für außerordentliche Geschicklichkeit und kämpferisches Können, so wie Caradocs es war. Der junge Krieger wurde bereits wenige Tage nach seiner Ankunft zum Kampf herausgefordert, obwohl die See noch in ihm steckte und die Haut noch immer in Fetzen von seinen Armen abpellte. Wie nicht anders zu erwarten, war es Dubornos, der die Herausforderung aussprach, und, wie ebenfalls nicht anders zu erwarten, verlor er den Kampf. Tagos war der Nächste, und auch er wurde geschlagen, wenn auch nicht ganz so vernichtend. Die Seeleute begannen Partei zu ergreifen und ließen so die rivalisierenden Splittergruppen anwachsen, die sich am Ende jedes Winters bildeten, wenn die kürzlich zum Krieger ernannten jungen Männer danach strebten, sich im Wettstreit gegen ihresgleichen zu beweisen. Es kam allzu häufig zu erbitterten Streitigkeiten und Prügeleien, und mehr als einmal mussten die Träumer herbeigerufen werden, um die Kampfhähne zu trennen und die Verletzten zu kurieren.
Caradoc ergriff nicht Partei, wie zu seiner Ehre gesagt werden musste. Stattdessen versammelte er die Anführer der einzelnen Gruppen um sich und überredete sie zu einer Reihe von verrückten Wettbewerben, indem er ihnen erzählte, dass dies die Art und Weise sei, wie das Volk seiner Mutter, die Ordovizer, die Monate zwischen Wintersonnenwende und Frühjahr verbrachte. Seine Behauptungen entsprachen nicht ganz der Wahrheit, denn wenn die Krieger der Streitaxt tatsächlich den ganzen eisigen Winter des Westens hindurch auf so waghalsige Art miteinander gewetteifert hätten, wären nicht mehr genug Lebende und Unverletzte von ihnen übrig geblieben, um im darauf folgenden Sommer auf jene Art und Weise Krieg zu führen, wie es die Legende von ihnen behauptete. Trotzdem erfüllte die Halbwahrheit ihren Zweck. An einem frostklaren Nachmittag mit strahlendem Sonnenschein und hart gefrorenem, eisüberkrustetem Schnee zeigte Caradoc den jungen Kriegern der Eceni, wie man Schlitten baute, und ließ sie dann um die Wette rodeln, wobei jeweils sechs Teilnehmer auf einmal den langen, kurvenreichen Pfad zwischen den Koppelzäunen hinuntersausten und bei voller Fahrt Speere auf Zielscheiben aus Stroh schleuderten.
Caradoc gewann den Wettkampf, aber er hatte schon des öfteren Schlittenrennen gefahren und noch dazu auf Bergen, die sehr viel steiler waren als der Abhang, an dem die Pferdekoppeln lagen. Die jungen Männer waren in Hochstimmung, und Tagos, der am dichtesten hinter Caradoc gewesen war, gewann an Ansehen. Als dieser Wettkampf allmählich den Reiz des Neuen verlor, liehen sich diejenigen, die das Schneerennen verloren hatten, Äxte aus, fällten zwei Kiefern und hackten die Seitenäste ab, um Stangen daraus zu machen, damit sie in spektakulären Einzelläufen um die Wette über den Fluss laufen konnten. Es lag jetzt nicht mehr so viel Schnee; der Wind hatte gedreht, wehte wieder von Süden und erwärmte die Luft. Die Eisschicht auf dem Fluss war an einigen Stellen mittlerweile so hauchdünn geworden, dass man hindurchsehen und das schnell strömende Wasser darunter erkennen konnte. Für das Finale des Wettrennens wurden die Holzstangen mit Talg eingefettet, um die Herausforderung noch größer zu machen. Zwei der Seeleute brachen durch das Eis und fielen ins Wasser. Einer von ihnen landete dabei so unglücklich auf einem Felsbrocken, dass er sich die Schulter brach. Das Ergebnis des Wettrennens war ein Unentschieden; Tagos konnte auf der gesamten Strecke mit Caradocs Tempo mithalten. Dubornos war der Zweitschnellste. Die restlichen Teilnehmer gaben vorzeitig auf, weil sie keine Lust mehr hatten, um die letzten Plätze zu kämpfen.
Danach wurde es ganz plötzlich Frühling, und auf einmal waren sie zu beschäftigt, um noch länger Wettkämpfe auszutragen. Der warme Wind hielt lange genug an, um auch die letzten Reste des Schnees zu tauen und das Eis wieder
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