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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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oder eine Wildkatze auf der Pirschjagd. Bán blickte zwischen den senkrecht aufgestellten Ohren des Tieres nach vorn, zwischen dem rechten, das ganz schwarz war, und dem linken, das zur Hälfte weiß war. Eine Brise hob die feinen Härchen am Kamm der Mähne. Die Wolken ließen die ersten Regentropfen frei.
    Der Ubier wartete am Ende der unteren Brücke, und als Bán ihn erreichte, ritten sie gemeinsam weiter zum Kampfplatz. Der halb fertige Rohbau eines Forts lieferte einen passenden Hintergrund für die Arena und ließ sie noch römischer erscheinen. Auf der Westseite der Fläche war ein Podium errichtet worden, geschmückt in den Reichsfarben Purpurrot und Gold. Die Offiziere der Legionen hatten die Erlaubnis erhalten, sich dem Gefolge des Kaisers anzuschließen; die Mannschaften blieben auf der römischen Seite des Flusses zurück, um von dort aus zuzuschauen.
    Die äußere Umgrenzungslinie der Arena war mit Sägemehl markiert. Bán und der Ubier standen Seite an Seite, während sie auf die Ankunft ihres Kaisers warteten. Der Mann summte das Kampflied seines Stammes vor sich hin und schenkte dem Jungen nicht die geringste Beachtung. Sein Schild bestand aus Bullenleder, und er trug es an einem Riemen über der Schulter. Das gewaltige Schwert hing blank von seiner Hand herab, und sein Kettenpanzer funkelte in der zögerlich zwischen den Wolken hervorkommenden Sonne. Sein Kopf war unbedeckt, so wie es bei seinem Volk Brauch war, und er würde ein gutes Ziel abgeben, wenn man nur nahe genug an ihn herankommen könnte, um einen Schlag zu landen.
    Bán verlagerte den Speer in seiner Hand; er hatte zwar keinen Grund zu glauben, dass er den Ubier besiegen könnte, aber er wollte sich auch nicht nachsagen lassen, dass die Eceni nicht kämpfen konnten. Aus den Augenwinkeln nahm er eine plötzliche Bewegung bei den Brücken wahr, und er sah, wie Corvus hinter Galba über die obere Brücke ritt, umringt von einer Traube von Präfekten und Tribunen, und wie die Prätorianische Leibgarde Anstalten machte, die mittlere Brücke zu Fuß zu überqueren, in ihrer Mitte eine berittene, in den blendenden Glanz von Gold und Weiß gehüllte Gestalt, die der Kaiser war. Ein Horn erschallte, und das Stampfen marschierender Männer hallte über den Fluss herüber.
    Die Römer waren so nahe an dem großen Wald, wie sie es noch nie zuvor gewesen waren. Reihen von winterlich kahlen Lärchen schwankten, als würde der Wind von Sekunde zu Sekunde stärker werden - aber es herrschte überhaupt kein Wind. Stattdessen brachte die Luft plötzlich den Gestank von altem, verwesendem Fleisch mit sich, so wie von Totenschädeln, die als Schmuck getragen wurden, und in der undurchdringlichen Dunkelheit des Waldes blitzte ein einzelner Speer auf. Die feinen Härchen in Báns Nacken richteten sich alarmiert auf. In einer reflexartigen Bewegung riss er Krähe herum und schrie: »Chatti!«
    Aus dem Wald stürzte die wahre Hölle auf ihn los. Scharen von Kriegern schossen zwischen den Bäumen hervor wie Ratten aus einem brennenden Stoppelfeld, eine wilde, schreiende Horde, die sich gegenseitig noch anfeuerte, rasend vor Hass und Blutgier. Dies war die brutale Realität, auf der Civilis’ Scherz basiert hatte: Die gegerbten Häute, aus denen ihre Umhänge bestanden, waren nicht etwa Skalps, sondern ganze Hautpartien eines Menschen, mit groben Stichen zusammengenäht; die Schädel, die an ihren Gürteln hingen und von ihren Schenkeln herabbaumelten, waren nicht die trockenen Totenschädel ihrer Ahnen, sondern die Köpfe von erst kürzlich Enthaupteten, an denen noch das zerquetschte und aufgequollene Fleisch in Fetzen hing; ihr gellender, durch Mark und Bein gehender Schlachtruf war anders als alles, was Bán schon jemals aus dem Munde von Menschen gehört hatte - und er fand seinen Widerhall in dem schrillen, von wilder, ursprünglicher Kampflust erfüllten Wiehern Krähes. So viel zumindest hatte Civilis mit seinem Scheinangriff erreicht: Der Hengst erkannte den Feind, und er wollte töten.
    Noch immer schreiend, zog Bán den Hengst herum und trieb ihn zurück in die Richtung des Kaisers. Am Fluss herrschte das Chaos, als die fünftausend Soldaten der XIV. Legion, alle in Paradeuniform, sich hastig in Schlachtordnung zusammendrängelten und sich einen Weg über die Brücke zu bahnen versuchten. Sie war aber so schmal, dass jeweils nur fünf nebeneinander hermarschieren konnten. Eine Truppe von fünftausend Mann würde also den halben Morgen brauchen, um

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