Die Herrin der Kelten
sie zu überqueren. Die Männer der XXII. Legion versammelten sich bereits bei der unteren Brücke, aber nur langsam und ohne den Vorteil der Kampferfahrung. In der Mitte stellten sich die Offiziere und die Angehörigen der Prätorianischen Leibgarde in Kampfformation vor dem Kaiser auf. Sie waren erbärmlich wenige. Wenn die Chatti einen Schlachtplan geschickt und Rom gebeten hätten, seine Streitkräfte aufzuteilen, hätte es nicht besser geschehen können.
Das blutige Gemetzel hatte bereits begonnen. Bán sah zwei der Prätorianer sterben, ihre Köpfe vom Scheitel bis zum Kieferknochen in zwei Hälften gespalten, während die graue Masse ihrer Gehirne herausquoll. Eine feindliche Schwertklinge sauste dicht neben seinem Kopf durch die Luft. Er duckte sich blitzschnell und stach mit seinem Speer nach dem Angreifer, seine Todessehnsucht urplötzlich von einem noch stärkeren Kampfinstinkt überwältigt, der aus dem Kern seines Wesens stammte. Der Speer traf sein Ziel, doch er blieb in dem stürzenden Körper stecken und wurde ihm aus der Hand gerissen. Bán zog sein geliehenes Schwert. Mit einem durchdringenden Wiehern bäumte sich der Hengst auf der Hinterhand auf und tötete so mühelos, als ob er zum Töten geboren wäre. Bán hieb wild mit seinem Schwert um sich, fühlte, wie sich die Klinge tief in das Fleisch seines Gegners grub, und hatte sich schon wieder abgewandt, noch bevor der Mann endgültig zu Boden ging. Er suchte Corvus in dem wilden Getümmel und fand ihn ohne Schwierigkeiten. Ein Wunder geschah: Krähe gehorchte ihm aufs Wort und lief genau dorthin, wohin er laufen sollte, und kam neben Corvus’ kastanienbrauner Stute zum Stehen.
Wurfspeere schwirrten wie Pfeile durch die Luft, eine wahre Wolke von Speeren, die den Himmel verdunkelte. Das Pferd des Kaisers stürzte zu Boden, wild zappelnd und um sich keilend. Corvus sprang aus dem Sattel seiner kastanienbraunen Stute und überließ das Tier dem Kaiser. Gaius saß auf. Wenige Minuten später brach jedoch auch die braune Stute tödlich getroffen zusammen, und der Kaiser schrie und wimmerte wie ein Kind, als ein Mann der Prätorianergarde ihn von dem sich krümmenden Kadaver fortzog und ihm wieder auf die Beine half.
Bán zog Krähe herum und ließ ihn mit seinen Hinterhufen zuschlagen. Corvus hielt seinen Schild hoch, um seinen Kaiser vor dem Hagel von Speeren zu schützen. Galba versuchte verzweifelt, sich einen Weg durch das Kampfgetümmel zu bahnen und zu ihnen zu gelangen, während er feindliche Schädel mit seinem Schwert spaltete, als ob es ein Hammer wäre, und sich sein Mund wie der eines Fisches öffnete und schloss, bis er endlich nahe genug an sie herangekommen war, dass sie seine Worte hören konnten, und er das aussprach, was jeder von ihnen gedacht hatte, aber nicht zu äußern gewagt hatte. »Schickt ihn zurück! Schickt den Kaiser zurück ans andere Ufer! Sie werden jedes Pferd unter ihm abschlachten!«
Corvus blutete aus einer Speerwunde am Arm. Dennoch beschützte er Gaius, als ob dieser sein Geliebter wäre. Ein Prätorianer brüllte über den Tumult hinweg: »Die Brücke ist blockiert! Er kann dort nicht durchkommen!«
»Dann hebt ihn hoch! Reicht ihn über die Brücke hinweg, schnell! Ist er euch wichtig oder nicht?« Bán merkte, dass er in Eceni schrie, seiner Sprache des Krieges. Die Männer um ihn herum nahmen jedoch keine Notiz von seinen Worten. Er schrie es abermals, diesmal auf Lateinisch. »Schickt ihn zurück, hebt ihn über die Köpfe der Männer hinweg, sonst ist er verloren!« Der Hengst und Galba töteten die nächsten Angreifer. Eine Chatti-Klinge sauste sirrend herab, als sie nach dem Kopf des Kaisers zielte. Bán wehrte den Schwerthieb mit seinem eigenen Schild ab und fühlte, wie sein Arm unter der Wucht des Aufpralls nachgab. Ein Prätorianer schlug dem Chatti den Kopf ab. Andere hatten den gellenden Schrei gehört und reagierten darauf. Gaius war ein Glitzern von Gold, als er über die Köpfe von Männern hinweggehoben wurde, die ihre Schilde hoch hielten, um das Leben ihres Kaisers zu schützen, und reihenweise mit ihrem eigenen Leben dafür bezahlen mussten. Corvus war noch immer nicht wieder beritten. Die kastanienbraune Stute war tot. Bán beugte sich aus dem Sattel und packte ihn am Arm.
»Steig auf, schnell!«
Er konnte nur noch auf Eceni denken. Corvus schüttelte seine Hand ab. »Dein Pferd wird sich das nicht gefallen lassen.«
»Du bist ein Kind des Todes, wenn du zu Fuß bleibst.« Bán zog
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