Die Herrin der Kelten
Möglichkeit, dass Galba mit dem Leben dafür würde bezahlen müssen, größer wurde und dann wieder abnahm. Die umwölkten Augen schlossen sich für einen winzigen Moment und verbargen die schwelende Mordlust. Der Kaiser sagte nur: »Er hat bereits Männer im Kampf getötet, und das schon vor einigen Jahren. Er ist also alt genug, um wieder zu töten. Oder um von einem anderen besiegt zu werden und mit allen militärischen Ehren zu sterben. Gibt es etwas noch Schöneres, als am Rande des Sieges zu leben? Wir beneiden alle beide. Wenn Unsere Gesundheit und Unser Leben nicht dem Volke Roms verpfändet wären, würden Wir selbst ins Feld rücken wollen. Der Entscheidungskampf wird also stattfinden - und zwar morgen Vormittag.«
Gaius blickte von Galba fort und zu Corvus hinunter, der sich die ganze Zeit über nicht gerührt hatte; der sich vielleicht nicht rühren konnte. »Ihr habt sein Empfehlungsschreiben unterzeichnet, ist das richtig?«
»Das ist richtig, Eure Majestät.«
»Dann werdet Ihr dafür sorgen, dass er entsprechend bewaffnet ist. Es soll hinterher keiner sagen können, dass er nicht in der Lage war, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen, weil es ihm an den nötigen Waffen fehlte.«
Damit waren sie entlassen. Corvus ging vor Bán zur Tür. Als sie aufschwang, sagte Galba zu Corvus: »Und Ihr werdet ihm außerdem ein Pferd besorgen, das besser ist als diese lahme, plattfüßige braune Stute, wenn Ihr wollt, dass er überlebt.«
XXII
»Das kannst du doch nicht tun! Das ist ja der helle Wahnsinn! Der Hengst wird dich umbringen!«
»Das glaube ich nicht. Das wird der Ubier schon besorgen. Aber es wird wenigstens ein ehrenvoller Tod sein.«
Bán schwebte auf einer Wolke euphorischen Losgelöstseins. Der Teil von ihm, der atmete; der in den Wachteleiern in Safransoße und dem delikaten gegrillten Flussfisch herumgestochert hatte, die man ihm in Corvus’ Quartier vorgesetzt hatte; der sich Civilis’ Ratschläge angehört, aber zugleich Rufus’ Angebot, ihm ein besseres Pferd zu geben, wieder und wieder hartnäckig abgelehnt hatte - dieser Teil hatte sich in einen Geist verwandelt, nur noch so lose mit der irdischen Welt verbunden, dass er unsichtbar war. In der Nacht, als er in Corvus’ Gästezimmer gelegen hatte, war ihm der Gedanke gekommen, dass vielleicht ausgerechnet Gaius gewusst hatte, wie schrecklich es war, ohne Seele zu leben, und dass er ihm einen Gefallen tun wollte. Oder vielleicht war es ja auch so, dass der Kaiser auch noch die letzten Überreste von Leben aus ihm herausgesaugt hatte und dem ubischen Wolf jetzt die leere, seelenlose Hülle hinwarf als sein Geschenk an einen Mann, von dessen Heldenmut sein Leben abhing. Wie auch immer, das Ergebnis war letztendlich das Gleiche. Als er am Morgen aufgestanden war, mit Iccius an seiner Seite, hatte Bán das Gefühl gehabt, auf einer Flutwelle von Kampffieber dahinzutreiben; ihm war schwindelig und benommen, und zugleich war er übermäßig empfindlich, so dass seine Finger prickelten und seine Haut den Druck seiner Tunika spürte, als ob er sein ganzes bisheriges Leben lang nackt herumgelaufen wäre und heute zum allerersten Mal Kleider trüge. Das Lager um ihn herum nahm er bereits kaum noch wahr; es wich mehr und mehr in den Hintergrund zurück, verschwommen und farblos und von dumpfen Geräuschen erfüllt, die zu einer Welt gehörten, die nicht mehr die seine war.
Nur Corvus hatte noch Farbe: in seinen Augen, in der hektischen Röte auf seinen Wangen, in den scharlachroten Federn auf seinem Paradehelm. Er stand in dem Stall, in dem die jungen Armeepferde untergebracht waren, seinen Helm unter den Arm geklemmt, und tat sein Möglichstes, um den gescheckten Junghengst nicht aufzuregen, während er sich noch immer gegen ihn aussprach. Er runzelte die Stirn vor lauter Anstrengung, sich klar und unmissverständlich auszudrücken, ohne Bán zu kränken. »Ich weiß, er ist dein Pferd, und du hängst an ihm, aber er ist zu unberechenbar und gefährlich. Du kannst ihn ja noch nicht mal richtig satteln, ohne deinen Hals zu riskieren. Bei vier von fünf Malen wirft er dich ab, wenn du aufzusitzen versuchst, und beim fünften Mal hält er auch nur deshalb still, weil er wartet, bis du ihn darum bittest, sich in Bewegung zu setzen. Du kannst das einfach nicht tun. Er wird dich umbringen, noch bevor du jemals an den Ubier herankommst.«
Bán grinste. »Und was dann? Was soll der Kaiser dann tun? Das gallische Pferd zum Sieger erklären? Er
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