Die Herrin der Kelten
Gefletschte, mörderische Zähne schimmerten mattweiß in der Dunkelheit. Amminios duckte sich lachend. »Bán, Bán - du bist so unglaublich berechenbar. Aber andererseits bin ich das auch.«
Bán rollte sich blitzschnell seitwärts in den Zwischenraum zwischen den beiden Pferden. Eisen glitt mit einem zischenden Geräusch an Leder entlang. Ein Messer entfachte ein flüchtig aufblitzendes Licht in der Dunkelheit. Iccius rief eine lautlose Warnung und riss sich den Schild von der Schulter, schwang die Kante wie eine Keule. Eburovic stach mit seinem Speer zu und versperrte Amminios den Fluchtweg. Krähe, von allen hemmenden Fesseln befreit, schlug mit seinen Vorderhufen aus, so wie er es bei dem Kampf gegen die Chatti getan hatte, und strebte mit einer rohen, ungezügelten Leidenschaft danach, zu töten. Er schrie seinen Zorn heraus, und sein schrilles Wiehern überdeckte den dumpfen Aufprall des leblos zu Boden stürzenden menschlichen Körpers. Der Geruch von Blut stieg auf und verbreitete sich in Windeseile im Stall, schreckte die übrigen Pferde auf und wenig später auch die Wachen. Aufgeregte Stimmen und flackernde Fackeln versammelten sich auf der anderen Seite der Brücke. Eine einzelne schattenhafte Gestalt zwängte sich hastig zwischen den Pferden am entgegengesetzten Ende des Stalls hindurch und rannte davon, um bei den Tausenden von anderen Reitpferden Schutz zu suchen, die durch das plötzliche Erscheinen des Todes unter ihnen aus dem Schlaf gerissen worden waren.
XXIV
Er lag wach in seinem Zelt, als sie kamen, um ihn zu holen: acht Soldaten und ein Zenturio von der Legio Secunda Augusta, allesamt Fremde. Die Männer, die das Zelt mit ihm teilten, hätten um ihn gekämpft, bis sie die Anklage hörten; da traten sie schweigend zurück, ihre Gesichter kreidebleich im grauen Licht des heraufdämmernden Morgens, und ließen es geschehen, dass die anderen ihn abführten. Bán ging in der Mitte der acht und hielt mühelos mit den Männern rechts und links von ihm Schritt. Er war jetzt hellwach. Und mehr noch, er war äußerst munter und lebendig. Eine wilde, grimmige Freude loderte in seiner Brust. Der Morgen hatte für ihn etwas Großartiges und Erhabenes an sich, an dem auch der klamme Nebel und das grell flackernde Leuchtturmfeuer nichts ändern konnten. Um ihn herum erwachte das Lager zu reger Geschäftigkeit. Bán roch den Rauch von tausend Lagerfeuern, den Duft vom im Ofen backenden Brot und den Gestank der Latrinen und empfand doch jeden dieser Gerüche als gleichermaßen perfekt. Er stellte sich seinen Tod vor und die Qualen, die ihm vorausgehen würden, und es kümmerte ihn nicht. Iccius und sein Vater hatten ihn wieder verlassen, doch er lebte in der frohen Gewissheit, dass er bis zum Einbruch der Dunkelheit oder spätestens bis zum nächsten Morgen wieder mit ihnen vereint sein würde, diesmal endgültig und für immer. Alles andere spielte keine Rolle.
Der Kaiser war nicht bereit, sich schon bei Tagesanbruch mit richterlichen Angelegenheiten zu befassen. Die Wachen verprügelten ihren Gefangenen mit Bedacht, um keine Blutergüsse auf seinem Gesicht oder seinen Händen zu hinterlassen, und sperrten ihn dann in einen Lagerraum im Amtssitz des Magistrats, bis die Vorladung kam. Bán legte sich zurück, den Kopf auf einen Ballen ungefärbten Leinens gebettet, und beobachtete, wie sich ein trächtiges Rattenweibchen in einem benachbarten Stoffballen ein Nest baute. Er störte das Tierchen nicht. Er dachte an die Götter seiner Kindheit und sandte ein Dankgebet an Nemain von den Wassern und an Briga, die Göttin des Todes. Er bat sie jedoch nicht um ihre Unterstützung. Indem sie ihm Amminios’ Tod gewährt hatten und die schmachvolle Art und Weise, wie er gestorben war, hatten sie ihm bereits mehr geschenkt, als er sich jemals wünschen könnte; seine Welt war nun vollkommen, und nichts konnte seine Freude mehr schmälern. Als die Soldaten abermals kamen, um ihn zu holen, ließ er sich hoch erhobenen Hauptes von ihnen abführen und sang dabei das Sterbelied seines Volkes.
Er war inzwischen an die Gegebenheiten eines kaiserlichen Audienzzimmers gewöhnt; die frische Kalktünche auf den Wänden, das Übermaß an Gold, die prachtvollen Seidenbehänge, die bei Bedarf rasch eingepackt und wieder ausgepackt werden konnten, vermochten ihn nicht mehr zu beeindrucken. Nur die Menschen, die in der Nähe des Podiums stillstanden, konnten ihn noch überraschen. Er hatte nicht erwartet, dass Theophilus bei der
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