Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
Vom Netzwerk:
entzünden konnte, erschien ihr die Vorstellung, Muster in die Erde zu ritzen, plötzlich nur noch als eine reichlich kindische Idee. Irgendwann, als die Finsternis der ersten Nacht schon hereingebrochen war, war ihr dann klar geworden, dass sie diese Lücke mit etwas füllen musste, und sie hatte an den Ort des Ostens Báns steinerne Speerspitze gelegt. Sanft schimmernd, hatte die Speerspitze sogleich den Schein des Feuers eingefangen und wieder reflektiert und damit den Kreis geschlossen. Später, als das Feuer erloschen war, hatten die geschwungenen Linien auf ihrer Oberfläche noch immer geleuchtet, hatten selbst das letzte Licht noch eingefangen und für Breaca gespeichert. Sie hatte den ganzen Tag über schon ein Gefühl der Dankbarkeit für diese Speerspitze empfunden und nahm diesen Stein nun, als sie dort stand, auch als Letztes auf, um ihn noch einen Moment in ihrer Hand zu halten, bevor sie ihn mit dem Rest zusammen in ihren Beutel gleiten ließ.
    Jenseits der Bäume sah die Welt ganz anders aus. Der Fluss rauschte dort schneller, als Breaca vermutet hatte, und war auch weniger verschlammt. Der Nebel über dem Wasser hatte sich etwas gelichtet, der Regen hatte aufgehört, und selbst die Luft dort war wesentlich reiner. Der Fluss tanzte und sang, und an seinen Rändern schossen kleine Fische dahin. Am östlichen Horizont tat sich eine Lücke zwischen den Wolken auf und offenbarte den nächtlichen Himmel. Ein Schleier aus Mondlicht erhellte das jenseitige Flussufer, und das Sternbild des Schützen zeigte mit seinem beschildeten Arm zum Hasen hinauf.
    Breaca kletterte das steile Ufer hinunter zu der Stelle, wo sie im Sommer einmal mit Airmid gelegen hatte, und ging ein paar Schritte vorwärts, bis der Teich ihre bloßen Füße umspülte. Das Wasser war kühl, aber nicht kalt, und fühlte sich nach der klammen, heimtückisch überall hineinkriechenden Feuchtigkeit des Regens angenehm erfrischend an. Langsam schritt Breaca stromabwärts, während sie den knirschenden Sand zwischen ihren Zehen spürte und die träge wirbelnden Strudel des Flusses ihre Fußgelenke streiften. An der Stelle, an der der Fluss am schnellsten dahinströmte, trat Breaca seitlich auf einen flachen Stein, hob ihre Tunika hoch und ging in die Hocke, um ihre Blase zu entleeren. Zusammen mit ihrem Urin glitten kleine Klümpchen geronnenen Blutes aus ihr heraus und verschwanden flussabwärts. Danach fühlte sie sich besser. Das Gefühl des Hungers war inzwischen schon zu einem Teil von ihr geworden, und die neue Leere passte recht gut dazu. Nachdem sie sich aufgerichtet hatte, drehte sich Breaca, noch immer auf dem Stein stehend, nach Osten, um die Sterne zu betrachten. Der Spalt zwischen den Wolken verbreiterte sich, bis sie den hoch emporgehobenen Speer des Schützen am dunklen Himmel erkennen konnte. Seine Spitze zeigte gebieterisch nach Osten zum fernen Horizont. Breaca trat einen Schritt weiter in den Fluss hinein und blieb dort stehen.
    Während all der Lehrstunden, die sie von ihrer Großmutter und von Macha empfangen hatte, während der langen, ausführlichen Gespräche mit Airmid, war Breaca immer wieder eingeschärft worden, dass sie einen Platz in der Einsamkeit finden müsse, um sich dort niederzulassen, ihr Feuer anzuzünden und ihre Traumwerkzeuge auszubreiten. Zugleich aber konnte sie sich nicht daran erinnern, dass es ihr verboten worden wäre, diesen Platz für eine Weile zu verlassen. Sie war nur immer davon ausgegangen, dass sie sich dann die ganzen drei Tage und Nächte über nicht mehr von diesem Ort entfernen dürfte, aber weder Macha noch die ältere Großmutter oder Airmid hatten das jemals ausdrücklich gesagt. Forschend grübelte Breaca über diese Angelegenheit nach. Sie befand sich schließlich in einer Situation, in der es von größter Wichtigkeit war, dass sie sowohl den wortwörtlichen Inhalt der Gesetze befolgte als auch die unausgesprochenen Regeln, den Geist, der praktisch durch diese Gesetze zum Ausdruck kam. Als sie sich schließlich sicher war, dass sie keine der unausgesprochenen Regeln verletzen würde, trat sie noch einen Schritt vorwärts auf einen weiteren Stein und dann auf noch einen.
    Auf dem dritten Stein angelangt, schon halb über den Fluss hinweg, drehte sich Breaca um und blickte zum Wald zurück. Die Birke, die ihr Schutz geboten hatte, war in dichten Nebel gehüllt und wirkte genauso abweisend wie an dem Tag, als Breaca das erste Mal hierher gekommen war. Im Gegensatz dazu war das

Weitere Kostenlose Bücher