Die Herrschaft Der Seanchane
dieser Stunde weniger standhaft sein. Vielleicht würde sie ihm ein Frühstück zubereiten. Er hatte sich aus dem Palast gestohlen, ohne vorher zu frühstücken.
Um keine Neugier wegen seines Besuchs zu erwecken, erzählte er Enid, wie sehr er ihren Bratfisch genossen hatte, um wie vieles er doch besser war als der, den man im Tarasin-Palast servierte, und dabei musste er nicht einmal übertreiben. Enid war ein wahres Wunder. Die Frau strahlte förmlich und zu seiner Überraschung holte sie einen Fisch aus einem Ofen und reichte ihm diesen auf einem Teller. Jemand im Schankraum würde warten können, sagte sie und stellte den Teller ans Ende des langen Arbeitstisches der Küche. Eine Bewegung ihres Löffels veranlasste einen Kesseljungen, einen Hocker zu bringen.
Als Mat den mit goldener Kruste versehenen Plattfisch ansah, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Aludra würde vermutlich jetzt genauso wenig schwach sein wie zu jeder anderen Zeit. Und wenn sie sich über die frühe Störung ärgerte, würde sie ihm vielleicht kein Frühstück machen. Sein Magen knurrte laut. Er hängte den Umhang auf einen Haken neben der Tür zum Stall, stellte seinen Wanderstab darunter, verstaute den Hut unter dem Hocker und strich die Spitze zurück, um sie vom Teller fern zu halten.
Als Frau Anan durch die Tür zum Stall kam, den Umhang abnahm und Regentropfen auf den Boden schüttelte, war nichts mehr übrig außer einem scharfen Geschmack auf seiner Zunge und weißen Gräten auf dem Teller. Seit er nach Ebou Dar gekommen war, hatte er gelernt, eine Reihe seltsamer Dinge zu genießen, aber die Augen ließ er liegen. Sie befanden sich beide auf derselben Seite des Fischkopfs!
Noch während er sich den Mund mit der Leinenserviette abtupfte, schlüpfte hinter Frau Anan eine weitere Frau in den Raum. Sie schloss schnell die Tür hinter sich und ließ den feuchten Umhang an und die Kapuze hochgeschlagen. Im Aufstehen konnte er einen Blick auf das von der Kapuze verborgene Gesicht erhäschen und stieß beinahe den Hocker um. Allerdings überspielte er das ganz gut, wie er fand, da er vor den Frauen einen Kratzfuß machte, aber in seinem Kopf drehte sich alles.
»Es ist schön, dass Ihr da seid«, sagte Frau Anan energisch und gab ihren Umhang einem Kesseljungen.
»Sonst hätte ich nach Euch geschickt. Enid, bitte räum die Küche und pass an der Tür auf. Ich muss mit dem jungen Lord allein sprechen.«
Die Küchenchefin scheuchte die Köche und Kesseljungen raus auf den Stallhof, und trotz der gemurmelten Proteste wegen des Regens und des Stöhnens über das anbrennende Essen war es augenscheinlich, dass sie genauso daran gewöhnt waren wie Enid. Sie warf Frau Anan und ihrer Begleiterin nicht mal einen Blick zu, bevor sie durch die Tür in den Schankraum eilte und dabei den langen Löffel wie ein Schwert hielt.
»Welch eine Überraschung«, sagte Joline Maza und schlug die Kapuze zurück. Ihr dunkles Wollgewand mit dem tiefen Ausschnitt nach der örtlichen Mode saß schlecht und sah abgetragen und mitgenommen aus. Aber ihr selbst war davon nichts anzumerken; sie wirkte, als hätte sie nicht eine Sorge auf der ganzen Welt. »Als Frau Anan mir erzählte, sie würde einen Mann kennen, der mich möglicherweise mitnimmt, wenn er Ebou Dar verlässt, hätte ich nie gedacht, dass sie Euch damit meint.« Hübsch und mit braunen Augen versehen war ihr Lächeln fast so warm wie das von Caira. Und ihr altersloses Gesicht schrie förmlich Aes Sedai. Während auf der anderen Seite einer Tür, die von einer Köchin mit ihrem Löffel verteidigt wurde, Dutzende Seanchaner lauerten.
Joline zog den Umhang aus und hängte ihn an einen der Haken und Frau Anan gab einen gereizten Laut von sich. »Hier ist es noch nicht sicher, Joline«, sagte sie und hörte sich an, als würde sie eher mit einer ihrer Töchter reden als mit einer Aes Sedai. »Bis ich Euch...«
Plötzlich ertönte Lärm vor der Tür zum Schankraum. Enid protestierte lauthals, niemand dürfe eintreten, und eine beinahe genauso laute Stimme mit seanchanischem Akzent verlangte, sie solle den Weg frei machen.
Mat ignorierte den Protest seines Beins, bewegte sich schneller, als er jemals sich im Leben bewegt zu haben glaubte, packte Joline an der Taille, ließ sich auf die Bank neben der Tür zum Stallhof fallen und zerrte die Aes Sedai auf seinen Schoss. Er zog sie dicht an sich und tat so, als würde er sie küssen. Es war eine idiotische Weise, um ihr Gesicht verbergen zu wollen, aber
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