Die Herrschaft Der Seanchane
zu begegnen. Sein Gesicht hätte jedem Mann gehören können, aber diese Augen... sie war froh, dass sie saß. Ihre Knie zitterten so sehr, dass es sie überraschte, dass man es trotz ihrer Röcke nicht sehen konnte. »Ich fürchte, so einfach ist das nicht.« Es gelang ihr fast, ihre Stimme ganz normal klingen zu lassen. »Ihr... Ihr wisst doch sicherlich genug, um Suroth des Mordes an Hochlord Turak anzuklagen?« Wenn er sich Suroth holte, würde er weder sie noch Egeanin darin verwickeln müssen.
»Turak war ein großer Mann, aber meine Pflicht gehört der Kaiserin, möge sie ewig leben, und durch sie dem Reich.« Er trank den Schnaps in einem Zug aus und sein Gesicht wurde so hart wie seine Stimme.
»Verglichen mit der Gefahr, die dem Reich droht, ist Turaks Tod wie Staub. Die Aes Sedai dieser Länder wollen im Reich die Macht erringen, zu den Tagen des Chaos und des Mordens zurückkehren, in denen kein Mann abends die Augen in dem Bewusstsein schließen konnte, sie am Morgen wieder öffnen zu können, und der giftige Wurm des Verrats, der sich insgeheim seinen Weg frisst, hilft ihnen dabei. Möglicherweise ist Suroth nicht einmal der Kopf des Wurms. Um des Reiches willen kann ich es nicht wagen, sie zu ergreifen, bis ich den ganzen Wurm töten kann. Egeanin ist ein Faden, dem ich zum Wurm folgen kann, und Ihr seid der Faden zu Egeanin. Also werdet Ihr Eure Freundschaft mit ihr erneuern, koste es, was es wolle. Habt Ihr mich verstanden?«
»Ich verstehe und ich werde gehorchen.« Ihre Stimme zitterte, aber was hätte sie sonst sagen sollen? Mochte das Licht ihr beistehen, was hätte sie sonst sagen sollen?
KAPITEL 12
Eine Frage des Eigentums
E geanin lag auf dem Rücken auf dem Bett und hielt die Hände in die Höhe, die Handflächen der Decke zugewandt, die Finger gespreizt. Ihre hellblauen Röcke lagen wie ein Fächer über ihren Beinen und sie versuchte, ganz ruhig dazuliegen, um die schmalen Falten nicht zu sehr zu zerknittern. So wie Kleidung die Bewegung einschränkte, musste sie eine Erfindung des Dunklen Königs sein. Als sie dort lag, studierte sie ihre Fingernägel, die viel zu lang waren, um ein Tau zu ergreifen, ohne nicht mindestens zur Hälfte abzubrechen. Nicht, dass sie persönlich in den letzten Jahren ein Tau in die Hand genommen hätte, aber sie war stets dazu bereit und vor allem fähig gewesen, falls es die Umstände erfordert hätten.
»...grobe Dummheit!«, knurrte Bayle und stocherte in den flammenden Scheiten im Ziegelkamin herum. »Glück stich mich, die Seefalke konnte schneller und dichter am Wind segeln als jedes seanchanische Schiff. Voraus es gaben Sturmböen und...« Sie hörte nur so weit zu, um zu wissen, dass er aufgehört hatte, wegen der Unterkunft zu meckern und sich wieder dem uralten Streit zugewandt hatte. Das mit dunklem Holz getäfelte Gemach war nicht das beste, das die Wanderin zu bieten hatte, nicht einmal annähernd, doch bis auf den Ausblick entsprach es seinen Forderungen. Die beiden Fenster schauten auf den Stallhof hinaus. Ein Hauptmann der Grünen entsprach im Rang einem Bannergeneral, aber an diesem Ort waren die meisten, die sie rangmäßig übertraf, Gehilfen oder Sekretäre der Offiziersveteranen des Immer Siegreichen Heeres. Und genau wie auf See half es auch beim Heer nur wenig, wenn man dem Blut angehörte, es sei denn, es handelte sich um das Hohe Blut.
Der meergrüne Lack auf den Nägeln ihrer kleinen Finger funkelte. Sie hatte immer gehofft aufzusteigen, vielleicht bis zum Hauptmann der Goldenen und wie ihre Mutter Flotten zu befehlen. Als Mädchen hatte sie sogar davon geträumt, genau wie ihre Mutter zur Hand der Kaiserin auf See ernannt zu werden, zur linken Hand des Kristallthrons zu stehen, als So'jhin der Kaiserin, mochte sie ewig leben, mit der Erlaubnis, direkt zu ihr sprechen zu dürfen. Junge Frauen hatten alberne Träume. Und sie musste zugeben, dass sie, nachdem sie für die Vorläufer auserwählt worden war, über die Möglichkeit spekuliert hatte, einen neuen Namen zu erringen. Sie hatte nicht darauf gehofft, bestimmt nicht - das wäre vermessen gewesen -, aber jedem war klar gewesen, dass die Zurückeroberung der geraubten Länder neue Zugänge für das Blut bedeutete. Jetzt war sie Hauptmann der Grünen, zehn Jahre bevor sie sich überhaupt Hoffnungen darauf hätte machen dürfen, und stand an den Ausläufern jenes steilen Berges, der durch die Wolken zum Gipfel der Kaiserin führte, mochte sie ewig leben.
Sie bezweifelte
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