Die Herrschaft Der Seanchane
echter Seefahrer. Das Letztere war für sie immer eine Notwendigkeit gewesen. Aber sie kannte seine Sitten nicht. In einigen Teilen des Reiches waren es die Männer, die fragten, und sie waren beleidigt, wenn eine Frau auch nur eine Andeutung in die Richtung machten. Sie hatte auch keine Ahnung, wie man einen Mann einfing. Ihre wenigen Liebhaber waren alles Männer von gleichem Rang gewesen, Männer, denen sie offen gegenübertreten und wieder Lebewohl sagen konnte, wenn der eine oder andere auf ein anderes Schiff versetzt oder befördert wurde. Und jetzt war er So'jhin. Es war nichts dabei, mit seinem So'jhin ins Bett zu gehen, solange man es nicht in aller Öffentlichkeit tat. Er würde wie gewöhnlich sein Lager am Fuß des Bettes aufschlagen, selbst wenn er nie darauf schlief. Aber einen So'jhin zu befreien, ihn von den Rechten und Privilegien fern zu halten, für die Bayle nur Hohn und Spott übrig hatte, war der Gipfel der Grausamkeit. Nein, sie log, weil sie Dingen wieder aus dem Weg ging, und, was viel schlimmer war, sie belog sich selbst. Sie wollte Bayle Domon aus ganzem Herzen heiraten. Sie hegte aber auf bittere Weise Zweifel, ob sie sich überwinden konnte, freigelassenen Besitz zu heiraten.
»Wie meine Lady befehlen, es soll geschehen«, sagte er in fröhlicher Verspottung der steifen Förmlichkeit.
Sie boxte ihn unter die Rippen. Nicht hart. Gerade hart genug, um ihn grunzen zu lassen. Er musste es lernen! Sie hatte keine Lust mehr, sich Ebou Dars Sehenswürdigkeiten anzusehen. Sie wollte dort bleiben, wo sie war, in Bayles Armen, sie wollte keine Entscheidungen mehr treffen müssen, sondern hier für alle Ewigkeit stehen blieben.
Ein scharfes Klopfen ertönte an der Tür und sie stieß ihn weg. Wenigstens wusste er genug, um nicht dagegen zu protestieren. Während er den Mantel überzog, schüttelte sie ihr Gewand aus und versuchte, die Falten zu glätten, die das Liegen auf dem Bett hervorgerufen hatte. Obwohl sie sich kaum bewegt hatte, schienen es eine ganz schöne Menge zu sein. Das Klopfen konnte Suroths Marschbefehl sein oder eine Magd, die sehen wollte, ob sie etwas brauchten, aber wer auch immer es war, sie würde nicht zulassen, dass er sie in einem Zustand sah, als hätte sie sich auf Deck herumgewälzt.
Sie gab die sinnlosen Versuche auf, wartete, bis Bayle alle Knöpfe geschlossen und eine Pose angenommen hatte, die er für einen So'jhin angebracht hielt - Wie ein Kapitän auf dem Achterdeck, der gleich Befehle brüllt, dachte sie und seufzte -, dann brüllte er: »Herein!« Die Frau, die die Tür öffnete, war die Letzte, mit der sie gerechnet hätte.
Bethamin warf ihr einen zögernden Blick zu, bevor sie hereinschlüpfte und die Tür leise hinter sich schloss. Die Sul'dam holte tief Luft, dann kniete sie nieder und hielt sich steif aufrecht. Ihr dunkelblaues Gewand mit den roten Rechtecken und den Silberblitzen sah frisch gereinigt und gebügelt aus. Der scharfe Kontrast zu ihrem eigenen schlampigen Erscheinungsbild ärgerte Egeanin. »Meine Lady«, begann Bethamin zögernd und schluckte dann. »Meine Lady, ich bitte Euch, mit Euch sprechen zu dürfen.« Sie warf Bayle einen Blick zu und befeuchtete sich die Lippen. »Unter vier Augen, wenn es meiner Lady beliebt.«
Das letzte Mal hatte Egeanin diese Frau in einem Keller in Tanchico gesehen; sie hatte sie von einem A'dam befreit und ihr befohlen zu verschwinden. Wäre sie eine Angehörige des Hohen Blutes gewesen, hätte das ausreichend Grund für eine Erpressung geboten! Zweifellos wäre die Anklage dieselbe gewesen wie bei der Befreiung einer Domäne. Verrat. Nur dass Bethamin es nicht enthüllen konnte, ohne sich dabei selbst ans Messer zu liefern.
»Er kann alles hören, was Ihr zu sagen habt, Bethamin«, sagte sie ruhig. Sie befand sich in einer Untiefe und da war kein Platz für etwas anderes als Ruhe. »Was wollt Ihr?«
Bethamin rutschte auf den Knien herum und verschwendete noch mehr Zeit mit Lippenlecken. Dann strömte plötzlich ein ganzer Wortschwall aus ihr hervor. »Ein Sucher hat mich besucht und mir befohlen, unsere... Freundschaft wieder aufzufrischen und ihm über Euch Bericht zu erstatten.« Sie biss sich auf die Unterlippe, als wollte sie sich auf diese Weise selbst am Plappern hindern, und starrte Egeanin an. Ihre dunklen Augen waren voller Verzweiflung und flehentlichem Betteln, genau wie damals in dem Keller in Tanchico.
Egeanin erwiderte den Blick kühl. Eine Untiefe und eine unerwartete steife Brise. Der
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