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Die Herzogin der Bloomsbury Street

Die Herzogin der Bloomsbury Street

Titel: Die Herzogin der Bloomsbury Street Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helene Hanff
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Für mich bestehen Stadtpläne nur aus oben und unten, rechts und links, aber ich hatte wichtige Orte angekreuzt – St. Paul’s, Westminster Abbey, den Tower – und auf dem ganzen Plan Spaziergänge eingezeichnet. Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten müssten bis zum Ende meines Aufenthalts warten, bis dahin würde ich hoffentlich lange genug still stehen können, aber vorerst würde ich die Stadt kreuz und quer durchwandern. (Ich hatte festgestellt, dass es mir besser ging, wenn ich in Bewegung war.)
    Ich war ganz ruhig und glücklich, bis eine Stimme über die Lautsprecheranlage verkündete, dass es 21.50  Uhr britischer Zeit sei, dass wir in fünf Minuten in Heathrow landen würden und es in London regne.
    »Keine Panik«, sagte ich mir. »Überleg dir
jetzt,
was du machst, wenn Nora und Sheila nicht da sind und dieser Verrückte am Flughafen vergessen hat, dass du heute ankommst.«
    Ich beschloss, Noras und Sheilas Nummer im Telefonbuch nachzusehen und sie anzurufen. Wenn keiner zu Hause wäre, würde ich Carmen vom André Deutsch Verlag anrufen. Wenn sie nicht da wäre, würde ich zu einem Flughafenangestellten gehen und sagen:
    »Entschuldigen Sie bitte, Sir. Ich bin soeben aus New York gekommen, ich habe einen Koffer, den ich nicht vom Fleck bewegen kann, ich weiß nicht, wo das Kenilworth Hotel ist, und es geht mir NICHT GUT. «
    Das Flugzeug landete, und die Passagiere standen auf und suchten ihr Handgepäck zusammen. Ich hatte kein Handgepäck. Ich saß wie erstarrt da und sagte mir, wenn mich keiner abholte, würde ich am Flughafen sitzen bleiben, bis das nächste Flugzeug nach New York ging, und wieder nach Hause fliegen. In dem Moment erklang erneut die Stimme über die Lautsprecheranlage:
    »Miss Hanff, würden Sie sich bitte bei einem Mitglied des Bordpersonals melden.«
    Ich sprang auf und streckte meine freie Hand in die Luft (die andere Hand hielt ständig meinen Hosenbund fest), musste aber feststellen, dass kein Mitglied des Bordpersonals in der Nähe war. Die anderen Passagiere, die im Gang standen und darauf warteten, das Flugzeug zu verlassen, sahen mich neugierig an, als ich, mit rotem Gesicht, aber vollkommen erleichtert, alle meine Sachen mit meiner freien Hand zusammenpackte und mich am Ende der Schlange anstellte. Jetzt, da ich wusste, dass ich abgeholt wurde, war ich halb trunken vor Aufregung. Im Grunde hatte ich nicht damit gerechnet, dass ich es bis London schaffen würde – und ich hatte es geschafft.
    Ich kam bei der Stewardess an, die die Passagiere verabschiedete, und erklärte ihr, dass ich Miss Hanff sei. Sie zeigte die Treppe runter und sagte:
    »Der Herr dort erwartet Sie.«
    Und da war er, ein großer, mächtiger Colonel Blimp, mit einem breiten Lächeln und ausgestreckten Armen wartete er darauf, meine zierlichen Füße auf britischen Boden zu bringen. Als ich die Gangway hinunter auf ihn zuging, dachte ich:
    »Jean hatte Recht. Du musst Tagebuch führen.«

Donnerstag, 17 . Juni, Mitternacht
    Im Kopfteil des Bettes ist ein Radio eingebaut, und die BBC hat mir gerade eine gute Nacht gewünscht. Das gesamte Radiosystem geht hier um Mitternacht schlafen.
    Die Ankunft war ein Triumph.
    »Helene, meine Liebe!«, dröhnte die Stimme des Colonels, und er beugte sich herunter, um mich zu küssen, und niemand hätte geglaubt, dass er mich noch nie zuvor gesehen hat. Er ist ein strahlender Riese von einem Mann mit buschigen grauen Augenbrauen und buschigen weißen Koteletten und einem enormen Bauch, der vor ihm hermarschiert. In kerzengerader Haltung schritt er voran, um sich um meinen Koffer zu kümmern, wie ein Sahib aus Kiplings
Old Injah.
Er kam mit einem Gepäckträger zurück, der den Koffer auf einem Wagen schob, legte den Arm um mich, ging mit mir an den Tischen für die Einreise und den Zoll vorbei und rief den Männern an den Tischen freundlich zu: »Eine Freundin von mir!« Das war schon alles, was ich von den Einreiseformalitäten mitbekam.
    »Und nun?«, sagte er. »Werden Sie abgeholt?«
    Ich sagte, dass Nora und Sheila Doel mich abholen wollten.
    »Wie sehen sie aus?«, fragte er und ließ seinen Blick über die Menge schweifen, die hinter dem Seil wartete, mit dem der Ankunftsbereich abgeteilt war.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte ich.
    »Haben die beiden ein Foto von Ihnen?«, fragte er.
    »Nein.«
    »Wissen sie, was Sie anhaben?«, fragte er.
    »Nein.« sagte ich.
    »Aber mein liebes Kind!«, dröhnte seine Stimme. »Was haben Sie sich denn gedacht, wie Sie

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