Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
musste sie später flicken. Sie nahm die Schmuckstücke heraus und versteckte die Jungensachen unter der losen Diele, den Schmuck brachte sie zur anderen Seite des Zimmers, wo hinter der Truhe ein Stück Putz im Fachwerk abgefallen war. Dort hatte sie aus Stroh und Lehm eine Höhlung herausgeschabt, wohinein ihr Beutel passte. Er wurde mit der letzten Beute so voll, dass sie das Loch nicht mehr mit dem Putzfladen schließen konnte. Also war es beschlossene Sache. Sie nahm den Beutel heraus und steckte ihn zuunterst in die Kiepe mit ihren Spitzen, Bändern und Litzen unter den doppelten Boden. Leider ließ sich nur ein oberflächlicher Beobachter davon täuschen. Die Kiepe wurde mit dem Diebesgut so schwer, dass man bei einer Durchsuchung unbedingt nach verborgenem Inhalt fahndete. Die trotteligen Wachen am Stadttor konnte sie übertölpeln. Sie verstaute die Brosche und die Armreifen sorgfältig. Die Kette aus Münzen klingelte so laut, dass sie einen Moment lauschte, ob sie vielleicht die Böttchersfamilie damit weckte. Und wo war das Medaillon? Der Mond schien in ihre Fensterluke, sie konnte genau sehen, dass nichts auf dem Boden lag. Es steckte auch nichts in den Ritzen der Dielen. Hektisch kramte Luzia den Anzug wieder heraus und untersuchte die Tasche, die ihr der Mann auf dem Marktplatz zerrissen hatte. Verdammt! Irgendwo auf dem Weg hatte sie das Medaillon verloren, im schlimmsten Fall auf dem Hof der Böttcherei oder direkt davor. Sie streckte ihren Kopf aus dem Fenster und überflog mit den Augen alles unter ihr. Nein, das Amulett musste golden schimmern, wenn es irgendwo lag. Dort wuchsen keine Pflanzen, in denen es sich verfangen konnte, die hatte die Ziege weggefressen. Auf dem Weg über den Hof lag es nicht.
Luzia müsste sich umziehen und den gesamten Weg zurücklaufen. Im schlimmsten Fall lief sie damit diesem späten Zecher genau in die Arme. Der konnte den Nachtwächter oder, schlimmer noch, die Stadtwache alarmieren. Vergiss es, dachte sie, legte sich in ihr Bett und schloss die Augen. Nur allmählich beruhigte sich ihr rasendes Herz. Es war noch etwas Zeit bis zum Morgengrauen, die sollte sie mit Schlaf nutzen.
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»Lukas, wach auf«, drang die belegte Stimme seiner Schwester in sein Ohr. So hörte sie sich nicht unter normalen Umständen an. Alarmiert fuhr er hoch und suchte in der Dunkelheit die schlanke Gestalt Magdalenes. Als sie sah, dass er wach war, setzte sie sich an die Kante seines Bettes und fasste seine Hand.
»Was ist denn los?«, murmelte er noch umfangen vom Schlaf.
»Wahrscheinlich gar nichts. Es rumort noch immer vom Marktplatz. Ich bekam auf einmal so sehr Angst, dass ich nicht mehr allein sein konnte.«
Fürsorglich tätschelte er ihre Hand und drehte sich zu ihr hin. »Gibt es was Besonderes?«
»Abgesehen davon, dass die Hexenjäger von Tür zu Tür gehen und Frauen herauszerren, um sie auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen?«
»Ach, Liebes«, flüsterte Lukas. Wenn er ihr doch nur helfen könnte! Seit jenem unseligen Zwischenfall weckte sie jede Kleinigkeit und oft wachte sie ohne Grund schreiend mitten in der Nacht auf. »Es geht da um eine alte Sache. Seit Jahren intrigieren diese Weiber, huren herum und mischen Gift. Vor elf Jahren hat es begonnen, da töteten sich diese Furien aus Eifersucht gegenseitig die Kinder. Um das zu beenden, griff die Obrigkeit ein und verbrannte die Schlimmsten als Hexen. Elf Jahre reichte die Abschreckung, jetzt fingen die übriggebliebenen Spießgesellinnen erneut damit an, bis die Amtmänner einschritten. Hab keine Angst, es wird bald vorbei sein.«
»Lukas, du bist immer so vernünftig«, seufzte Magdalene. »Wenn es doch nur so wäre! Eine Frau, die das Kind einer anderen mordet, gehört auf diese Weise bestraft. Nur, was Trine erzählt … ihre Mutter …«
»Liebes, nimm es dir nicht so zu Herzen. Das war schrecklich, fürwahr. Furchtbar, wenn es dabei auch Unschuldige trifft. Das passiert immer wieder und ist leider nicht zu vermeiden.«
»Und wenn es diesmal wieder mich trifft?«
Lukas richtete sich auf und nahm sie voll Zärtlichkeit in den Arm. »Nun sieh nicht immer so schwarz! Das war vor Jahren. Jetzt leben wir doch in ganz anderen Zeiten. Du bist eine ehrbare Edelfrau, die ein sittsames Leben führt. Eine Nonne im Kloster lebt nicht keuscher. Niemand kann dir etwas Schlechtes nachsagen. Für dich besteht absolut keine Gefahr.«
Magdalene legte ihren Kopf auf seine Schulter und er spürte Tränen feucht durch sein
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