Die Hexe muss brennen. Historischer Roman. (German Edition)
und Mäntel wandern. Oft stolperte sie, rempelte jemanden an und hielt sich an Armen und Handgelenken fest, die ihr manchmal sogar helfend entgegengestreckt wurden. Das Armband einer hochnäsigen Patronin verschwand in Luzias Tasche.
Irgendwie passte es ja: Heute war Walpurgisnacht und die Hexen fuhren aus. Diese dort wohl nicht mehr. Ihre Schwestern würden ohne sie tanzen müssen, aber bestimmt nicht weniger lustig.
Die Frau auf dem Karren wurde jetzt von allen Seiten mit faulem Gemüse beworfen. Teilnahmslos ließ sie alles mit sich geschehen. Luzia ergriff den Arm eines wohlbeleibten Mannes und drückte seine Hand, die er ihr zur Hilfe reichte. Mit einem Lächeln streifte sie den Goldring ab, als sie auf seinen Fuß trat. Wortreich entschuldigte Luzia sich, während sein Blick die Hexe fixierte. Ein langgezogenes Gejaule kam als ihre erste Regung. Widerlich.
Mit einem Ruck riss der Henkersgehilfe das Büßerhemd von ihren Schultern. Jetzt wurde sie nackt aufgezogen. Der Pfahl ragte hoch empor und die Ketten streckten das Weib, dass sie kaum mit den Füßen den Boden berührte. Da hatte der Henker an Holz gespart, oder er hatte die Halterung für die Kette zu hoch am Pfahl angebracht, oder die Kette war zu kurz. Wen interessierte das? Luzia hatte genug für heute, ihre Taschen wogen schwer von Diebesgut. Nur nicht übertreiben, es durfte nicht auffallen. Wenn sie von den Armen nehmen würde, hätte sie weniger Angst vor Entdeckung, denn gerade die Reichen, die einen kleinen Verlust verschmerzen konnten, riefen schnell die Stadtwachen zur Hilfe. Sie wollte zwar nicht mehr lange in dieser Stadt bleiben, aber überstürzt fliehen auch nicht. Wenn nur zwei der Bestohlenen sich kannten und einander ihren Schaden klagten, erinnerte sich vielleicht einer von ihnen an die anmutige Luzia, die an ihm vorübergestrichen war.
Der bequemste Weg durch die Menge führte vor dem Brunnen entlang. Von dort konnte Luzia genau sehen, was auf der Tribüne vor sich ging. Die Catharine schien noch nicht alt zu sein, ihre hochgereckten Arme ließen die Brüste hüpfen. Das Haar war nur dreckig, nicht grau, unter dem Schmutz schimmerte es golden. Jetzt jaulte sie wieder, kein verständliches Wort kam aus diesem schwarzen Loch von Mund. Den ganzen Körper verkrustete Unrat und darunter lagen schwärende Wunden. Ausgepeitscht hatte man sie und mit glühenden Eisen traktiert, damit sie alles beichtete. Besonders schlimm sahen die Brüste aus. Luzia musste stehenbleiben und sah hin, obwohl sie das nicht wollte. Ein Schauder lief ihr den Rücken herunter. Wieso hatte das Weib es soweit kommen lassen? Warum gestand sie nicht einfach und büßte für ihre Sünden? Eine Nachlässigkeit wurde mit einer Ehrenstrafe belegt, vielleicht mit einer kleinen Spende, aber eine verbohrte Hexe ging ihres Seelenheils verlustig. Und eine Hexe war sie, das hatte sie gestanden. Nach der Folter hatte die Catharine widerrufen. Der Henker musste zum Beweis die Haare am Körper absengen, um das Hexenmal zu finden. Dann konnte sie nicht mehr leugnen, es war eindeutig.
Das Weib heulte auf und trat um sich. Zwischen den Beinen war das Fleisch verbrannt und riss dabei auf. Luzia konnte den Blick nicht abwenden. Dicke Tropfen schwarzen Blutes rannen die Schenkel hinunter. So sah das Böse aus. Ein Schauder lief Luzia über den Rücken. Geschickt fing ein Gehilfe des Henkers die Beine und band sie mit einem Strick an den Pfahl. Jetzt bekam die Hexe ihre verdiente Strafe.
Luzia konnte nicht widerstehen und trennte mit einem Messerchen Silberknöpfe vom Mieder einer Matrone. Während das Weib auf dem Scheiterhaufen weiterhin wimmerte, hob ein schwarz gewandeter Mann, der Oberamtmann, auf der Tribüne ein Blatt und begann zu lesen. Das musste wohl das Urteil sein, Luzia verstand kein Wort über das Gewinsel, und wahrscheinlich auch kein anderer. Was machte man sich solche Mühe mit diesem Abschaum, sie sollten endlich anfangen!
Ein Händler mit Brotfladen zwängte sich durch die Zuschauer und wurde das eine oder andere Teil los. In seinem Fahrwasser kam Luzia ein Stück weiter, bis er die Richtung wechselte und auf die Tribüne zusteuerte. Der Henker nahm eine rotglühende Zange und ging auf die Hexe zu. Er fasste damit ihre rechte Brust und mühte sich, die Backen der Zange zu schließen, dann riss er mit deutlicher Anstrengung ein Stück Fleisch heraus. Das Kreischen des Weibs tat Luzia in den Ohren weh und sie wandte sich ab. Atemlos lauschte das Volk und jubelte
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