Die Hexe von Freiburg (German Edition)
es still. Die meisten bekreuzigten sich, der verhüllte Mann in vorderster Reihe der Zuschauer fiel auf die Knie und entblößte sein Haupt. Jetzt erst erkannte Textor ihn: Es war der Villinger Gastwirt Christoph Schiller, Vetter der Stadellmenin und, wie Textor inzwischen wusste, ihr heimlicher Gatte.
Textor beobachtete, wie Christoph Schiller den Kopf hob und sich die Blicke der Geliebten trafen, mehr noch: ineinander ruhten, als seien die beiden fernab dieses grauenhaften Schauplatzes allein auf der Welt. Über Catharina Stadellmenins geschundenes Gesicht ging ein Leuchten, ihre Augen verloren jegliche Stumpfheit und strahlten Zuversicht und Erlösung aus, den Glanz grenzenloser Liebe.
Dann pfiff das Schwert durch die Luft, einmal, zweimal, ein drittes Mal. Textor betete laut das schmerzvollste Gebet seines Lebens, die Worte «Gegrüßest seist du, Maria, gebenedeit die Frucht deines Leibes» gellten aus seiner Brust und flehten um Gnade für jegliche Schuld, die er am Tod dieser Frauen tragen mochte. Dann, von einer Sekunde auf die nächste, war alles vorüber.
Keiner der Gaffer, nicht einmal der ehemalige Commissarius Carolus Textor, hatte bemerkt, was mitten in ihren Reihen geschehen war, dass da ein Mann regungslos auf der Erde kauerte, als wolle er den staubigen Boden küssen, und sich nicht einmal rührte, als die kopflosen Körper aufgeladen und selbst die Greise und Lahmen längst auf dem Weg zum Scheiterhaufen waren, um endlich die Hexenleiber in Flammen aufgehen zu sehen.
Erst als die Haufen lichterloh brannten und der Feuerschein bis weit über die Stadt hinaus zu sehen war, traf ein Trupp Stadtknechte ein, um die Richtblöcke vom Blut zu säubern. Mit einem kräftigen Fußtritt warf einer von ihnen den leblosen Mann auf die Seite und entdeckte, dass tief in seiner Brust ein Dolch steckte.
Marthe-Marie erhob sich und legte den Kopf in Lenes Schoß. Als das Herdfeuer erloschen war, sah sie auf.
«Nein, meine Mutter war keine Hexe. Ich bin stolz auf sie, auf ihren Mut und auf ihre Stärke.»
Lene schluckte. «Aber du siehst, wohin das geführt hat.»
«Trotzdem!»
Nachbemerkung:
Ebenso wie Catharina Stadellmenin hatten sich auch die beiden anderen Verurteilten auf die Frage nach ihren Gespielinnen gegenseitig angegeben sowie die Namen von bereits hingerichteten Frauen genannt. Die Verfolgungen hörten damit fürs Erste auf.
Bis vier Jahre später der Hexenwahn erneut ausbrach.
Informationen zum Buch
Ein erschütterndes Frauenschicksal aus der Zeit der Hexenverfolgung
Freiburg im 16. Jahrhundert: Der Hexenwahn fegt über Deutschland. Als in dem Universitätsstädtchen am Rande des Schwarzwalds zum ersten Mal die Flammen über einer Hexe zusammenschlagen, wird Catharina geboren. Ein schlechtes Omen? Das wissbegierige Mädchen wächst zu einer selbstbewussten jungen Frau heran, die ihr Leben lang gegen die Abhängigkeit von den Männern ankämpft. Am Ende droht sie deswegen alles zu verlieren – nur eines bleibt ihr: eine unendliche Liebe, vor der selbst der Tod seinen Schrecken verliert.
«Ein absolut gelungenes Roman-Debüt von Astrid Fritz. Einfühlsam, spannend, traurig bis zur letzten Seite.» (Bayern 3)
«Astrid Fritz hat in ihrem Roman Die Hexe von Freiburg – gestützt auf die historischen Fakten – ein typisches Hexenschicksal jener Zeit entstehen lassen und mit feinem Pinselstrich das Leben im ausgehenden Mittelalter gezeichnet, in dem magisches Denken und der Glaube an Zauberkräfte in allen Ständen verbreitet war.»
(Badische Zeitung)
«Der Roman zieht den Leser in längst vergangene Welten, die so eindrucksvoll beschrieben werden, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen mag.» (Märkische Allgemeine)
Informationen zur Autorin
Astrid Fritz studierte Germanistik und Romanistik in München, Avignon und Freiburg. Mit ihrer Familie zog sie anschließend für mehrere Jahre nach Chile. Heute lebt sie in der Nähe von Stuttgart. Ihre historischen Romane sind große Erfolge.
Weitere Veröffentlichungen
Die Tochter der Hexe
Die Gauklerin
Der Ruf des Kondors
Das Mädchen und die Herzogin
Die Vagabundin
Impressum
Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, Oktober 2009
Copyright © 2003 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages
Umschlaggestaltung any.way, Barbara Hanke/Cordula Schmidt (Abbildung: Corbis; neuebildanstalt; Bridgeman
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