Die Hexe von Freiburg (German Edition)
so hell?
«Es ist so weit», sagte der Scharfrichter. «Um elf Uhr werdet Ihr abgeholt. Aufgrund eines Gnadengesuchs Eures Vogtes», er sah zu Margaretha, «und Eures Vetters aus Villingen werdet Ihr vor der Verbrennung enthauptet. Bevor wir losfahren, bringe ich Euch Eure letzte Mahlzeit und werde Euch waschen. Dann kommt der Priester. Auch Doktor Textor möchte Euch noch einmal sehen.» Er beugte sich zu Catharina hinunter. «Das ist für Euch.»
Er legte ein auseinander gefaltetes Papier neben sie. Catharina erkannte Christophs Handschrift, doch die Buchstaben tanzten vor ihren Augen. Hilflos blickte sie zum Scharfrichter auf. Der zuckte die Schultern.
«Ich kann leider nicht lesen.»
Mit viel Mühe schaffte Catharina es, die Nachricht zu entziffern.
«Meine Liebste! Tag und Nacht war ich in Gedanken bei dir, und die Ungewissheit, ob wir uns je in Freiheit wiedersehen, hat mich nicht mehr schlafen lassen. Warum nur habe ich dich allein in Freiburg gelassen und dich nicht, meinem Schwiegervater zum Trotz, nach Villingen geholt? Was nützt mir nun meine Erbschaft, der Gasthof und das viele Geld? Als Lene gestern allein aus dem Turm zurückkam, habe ich die ganze Nacht Zwiesprache mit Gott gehalten, und ich denke, er wird meine Entscheidung, mit dir zu gehen, verstehen und mir diese eine große Sünde verzeihen, denn sie geschieht aus reiner Liebe. Sei also unbesorgt, wie ich es jetzt auch bin, denn wir werden bald für immer zusammen sein. Kein Richter, kein Büttel wird uns dann mehr trennen können.»
Die Märzsonne schien warm von einem dunstigen Himmel, und auf der großen Gasse vor dem Christoffelstor herrschte Volksfeststimmung. Bäcker verteilten an die umherstreunenden Kinder Henkerswecken, knusprig gebackene Brötchen aus Weißmehl, an den Straßenecken standen Weinhändler und kamen nicht nach mit dem Ausschenken. Ein paar Halbwüchsige vertrieben sich die Zeit des Wartens damit, eine dreibeinige Katze mit Steinen zu jagen.
Als der Schinderkarren vorfuhr, gezogen von einem kräftigen Rappen, und sich die Tür des Christoffelturms öffnete, ging ein Raunen durch die Menge. Hölzerne Rätschen begannen zu rasseln, Topfdeckel wurden aufeinander geschlagen, Kindertröten plärrten, laute Rufe erschollen: «Heraus mit den Hexen!» «Wir wollen sie brennen sehen!»
Anna Wolffartin erschien als Erste und bestieg den Wagen. Als Einzige konnte sie auf eigenen Beinen stehen. Dann wurden Margaretha Mößmerin und Catharina Stadellmenin herausgeschleppt und auf den Karren geschoben. Als sich der Wagen ruckend in Bewegung setzte, fielen die Frauen in sich zusammen wie ein Haufen Lumpen. Vorweg, auf hochbeinigen Schimmeln, ritten der Priester, der Schultheiß und Statthalter Renner, gefolgt von den Richtern und Stadträten. Die Vertreter der Zünfte waren feierlich in blank geputzten Harnischen angetreten. Einzig Doktor Textor fehlte in ihren Reihen, er war einen Tag zuvor von allen Ämtern und Titeln zurückgetreten. Ein gutes Dutzend Büttel bewachte den Karren und versuchte, die Verurteilten vor der Meute zu schützen. Hinter dem Wagen schließlich trotteten der Henker und sein Sohn.
Wie ein Bienenschwarm folgte die Menge dem Zug Richtung Münsterplatz, räudige Hunde rannten kläffend nebenher, und die ersten Wurfgeschosse landeten auf dem Schinderkarren. Ein Stein traf Anna Wolffartin am Hinterkopf, und das Geschrei der Leute steigerte sich zu tosendem Gebrüll, das das eben einsetzende Glockengeläute vom Münster übertönte.
Wehe, wenn der Pöbel losgelassen wird, dachte Textor unwillig und schlug einem der jungen Burschen einen Stein aus der Hand. Er fragte sich, wer der hagere Mann vor ihm war, der, in einen schwarzen Umhang gehüllt, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, neben dem Wagen herschritt, so dicht, wie es die Büttel zuließen.
In der Vorhalle des Münsters nahmen die Richter und Schöffen Aufstellung, hoch über ihren Köpfen das erst vor kurzem erneuerte Relief des Jüngsten Gerichts. Nachdem der letzte Glockenschlag verhallt war, trat August Wimmerlin vor, mit stolzgeschwellter Brust, denn er hatte die ehrenvolle Aufgabe, die Geständnisse der drei Hexen und ihr Urteil zu verlesen.
«Auf Montag, den 22. März anno 1599, hat Margaretha Mößmerin, weiland Herrn Jacob Bauren seligen gewesenen Obristmeisters hinterlassenen Witwe vor den verordneten Herren Siebener, aller Banden ledig und los, im St. Christoffelsturm gütlich gestanden und der Hexerei halber bekannt, wie folgt:
Dass
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