Die Hexe von Paris
Kleidung ist eigenartig, sie scheint mir nicht französisch. Ihr besucht die Messe in einer fremden Kirche –«
»Dann bin ich gerettet –«
»Wartet – zwei Männer sind hinten in der Kirche, einer mit einem großen Sack. Der erste – ich glaube, ich erkenne ihn – gibt ein Zeichen, indem er die Hand sinken läßt. Der zweite – oh, und da ist noch einer, auf der anderen Seite der Kirche – sie öffnen ihre Säcke. Guter Gott! Die Säcke sind voll mit schwarzen Katzen. Sie rennen kreuz und quer durch die Kirche. Die Leute wenden sich gegen Euch – sie scheinen zu denken, die Katzen seien Teufel, die Ihr mitgebracht habt. Sie schreien, sie drohen, sie zerren an Eurem Kleid, wollen Euch in Stücke reißen – Eure Lakaien wehren sie ab, und Ihr flieht nach draußen zu Eurer Kutsche.«
»Der eine Mann – Ihr sagt, Ihr erkennt ihn?«
»Ein Abgesandter der Pariser Polizei, Madame.« Um genau zu sein, Desgrez. Der Mann, der sich als Abbé verkleidete, um Madame de Brinvilliers aus ihrer Zuflucht in einem ausländischen Kloster hervorzulocken.
»Sie werden mich töten! Sie wiegeln den Pöbel gegen mich auf! Oh, wie bequem so ein Tod für sie wäre, und niemandem wäre etwas vorzuwerfen! Diese Schurken von niederer Geburt wagen es nicht, unmittelbar Hand an eine Mancini zu legen. Ich schwöre, es ist Louvois. Er haßt mich. Er haßt uns alle, die wir von höherer Abstammung sind als er. Ich kenne ihn, er wird seinen Vasallen La Reynie benutzen, um unter dem Deckmantel des Gesetzes Rache zu üben. Das ist seine Art – er ist verschlagen, und er wartet seine Zeit ab. Niemand ist vor ihm sicher, nicht einmal die Mancinis. Sagt mir, mein Tod –«
»Das erfordert Bezahlung im voraus, Madame.« Ich nahm die Vergütung entgegen und blickte wieder ins Wasser. »Ihr werdet hochbetagt sterben«, sagte ich.
Die Luft in dem kalten Gemach wurde von dem irren Gelächter der Comtesse erschüttert. Sie erhob sich plötzlich, streckte die Arme über den Kopf und schrie: »Hochbetagt, hochbetagt, ich werde Euch zum Trotze leben, Louvois!« Dann fiel ihr ein, daß ich zugegen war; sie sah mich mit glühenden irren Augen an und sagte: »Was kümmert mich Louvois? Ha! Er ist nichts, nicht einmal soviel –« Sie schnippte mit den Fingern, um seine Bedeutungslosigkeit zu demonstrieren. »Oh, der häßliche kleine Bourgeois, ich werde an ihm Rache nehmen!«
Als meine Kutsche in die Rue de Picardie einbog, lehnte ich mich in die Polster; mir war nahezu übel von der Erschöpfung, die sich nach zu vielen aufeinanderfolgenden Lesungen einstellt. Noch ein paar von dieser Art, und sie werden mich töten, dachte ich. Ich mußte sogar eingenickt sein, denn ich vermeinte schaudernd zu erwachen, als die Kutsche in der Rue Forez hielt. Meine letzte Verrichtung des Tages. Um mein Opiumlabsal zu holen, das nur noch ein Viertel so stark war wie ehedem.
La Dodée ließ mich ein. Ihr sonst so fröhliches Gesicht blickte kummervoll unter der weißen Linnenhaube hervor. Sie wischte sich die feuchten Hände an ihrer Schürze ab und sagte: »Oh, Ihr seid doch noch gekommen! Eure Bestellung ist fertig, aber noch nicht in Flaschen gefüllt. La Trianon möchte Euch im Hinterzimmer sprechen. Sie ängstigt sich zu Tode und benötigt eine Lesung.« Ich stöhnte.
»Ich habe es nicht in mir. Ich habe den ganzen Nachmittag gelesen, und ich glaube, ich werde ohnmächtig, wenn ich das Glas noch einmal ansehe.«
»Kommt ins Laboratorium und legt die Füße hoch. Wir kochen Euch Kaffee, der wird Eure Kräfte wiederbeleben. Es sind schreckliche Dinge im Gange. Es blitzt rings um uns, und wir müssen wissen, wo es als nächstes einschlägt.«
Sie zogen einen Lehnstuhl ans Feuer, ich ließ mich hineinfallen und schloß die Augen. Eines der Mädchen mußte wohl einen Fußschemel gebracht haben, denn das letzte, was ich wahrnahm, bevor ich in Schlaf sank, war, daß jemand meine Füße hochlegte.
»Aufwachen, wacht auf!« La Trianon rüttelte mich an den Schultern.
»Ich habe gar nicht geschlafen – nur meine Augen ein bißchen ausgeruht.«
»Eine komische Art auszuruhen – dann sind es wohl Eure Augen, die schnarchen.«
»Ich und schnarchen? Niemals!« Ich setzte mich aufrecht. La Trianon stand an meiner Seite, die Hände in die Hüften gestemmt, die Ärmel ihres schwarzen Kleides bis zu den Ellenbogen aufgekrempelt, als habe sie soeben ihren Arbeitstisch verlassen.
»Ich denke, das wird Euch aufwecken – es bringt Euch wieder zu Kräften. Und dann
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