Die Hexe
geht es ja«, lachte die Söldnerin. »Aber in der Moskauer Eremitage – das war der Hammer. Wir sind etwa eine Stunde nach dir bei den Erli eingetroffen, und als Cortes dort Inga sah, wären ihm beinahe die Augen herausgefallen.«
Artjom kicherte. Gleich am nächsten Tag hatte ihn Cortes damit aufgezogen, dass gewisse Söldner nicht einmal halbtot vor Frauen sicher seien.
»Jedenfalls waren wir äußerst überrascht«, fügte Jana hinzu.
»Damit wart ihr nicht allein«, bekannte Artjom. »Ich habe auch nicht schlecht gestaunt, als ich wieder zu mir kam und Inga an meinem Bett sitzen sah. Bruder Lapsus hat mir erzählt, dass sie sogar bei der Operation dabei war.«
»Und während der ganzen Zeit, als du bewusstlos warst, ist sie dir nicht von der Seite gewichen.« Janas blaue Augen fixierten den Söldner streng. »Weißt du schon, was du mit Inga anstellst?«
Artjom blies die Backen auf und betrachtete wehmütig seine Krücke.
»Nein, das kann ich jetzt noch nicht sagen …«
»Diese Frau kann warten. Aber halte sie nicht zu lange hin.« Jana legte Artjom zärtlich die Hand auf die Schulter. »Und noch etwas. Es geht mich natürlich nichts an, aber Larissa hat sich ganz bewusst entschieden, ihren eigenen Weg zu gehen. Ganz bewusst.«
Vorbei an biederen Audis und nicht ganz so biederen Porsches brauste der zitronengelbe Lamborghini über die linke Spur der Autobahn. Die ordnungsliebenden Deutschen zogen es vor, dem hemmungslosen Raser in dem gelben Boliden Platz zu machen, tippten sich an die Stirn und dachten: ein Verrückter. Zumindest die Porschefahrer standen nicht in dem Verdacht, übertrieben langsam zu fahren, doch das Tempo des Lamborghini war einfach jenseits von Gut und Böse.
Das fehlende Tempolimit auf Autobahnen war indes nicht der Grund dafür, dass Larissa sich ausgerechnet Deutschland als Zufluchtsort ausgesucht hatte, sondern der Umstand, dass sie die Landessprache beherrschte. Schließlich galt es, Karas Erbe zu verwalten, die Geldanlagen und Beteiligungen zu ordnen und nicht zuletzt entsprechende Papiere zu beschaffen. Ohne Sprachkenntnisse wäre das äußerst mühselig geworden – Magie hin oder her.
Doch ganz abgesehen von den praktischen Dingen stand Larissa eine viel wichtigere und größere Aufgabe bevor, die zwischen schwarzen Ledereinbänden neben ihr auf dem Beifahrersitz lag. Vielleicht sollte sie sich ein Schloss kaufen, wo sie sich zurückgezogen und in aller Ruhe dem Studium des Schwarzen Buches widmen konnte? Oder ein hübsches Haus auf einer Insel? Und eines Tages würde sie gewiss in die Verborgene Stadt zurückkehren und dort für einigen Wirbel sorgen. Nun, bis dahin war noch ein weiter, beschwerlicher Weg.
Aber was soll’s, dachte Larissa lachend und drückte das Gaspedal durch. Ich habe doch Zeit. Alle Zeit der Welt!
»Jana, jedes Mal, wenn ich Sie sehe, habe ich den Eindruck, Sie wären noch hübscher geworden!« Galant küsste Santiago der jungen Frau die Hand und wandte sich dann an den Söldner. »Wie fühlen Sie sich, Artjom? «
»Besser als vor drei Tagen«, witzelte der, während er Santiagos festen Händedruck erwiderte.
»Freut mich aufrichtig, dass Sie diese Geschichte gut überstanden haben.«
»Mich freut es auch, das können Sie mir glauben!«
Zur Überraschung des Söldners hatte Santiago sogar Zeit gefunden, ihn in der Moskauer Eremitage zu besuchen, um ihm persönlich die Genesungswünsche des Dunklen Hofs zu übermitteln. Überhaupt war erstaunlich viel Besuch zu Artjom in die Klinik gekommen: Schatyren im feinen Zwirn, Rothauben, die einen Fünflitereimer Whiskey anschleppten, Chwanen in Begleitung Weißer Morjanen, eine Delegation von Eulins, Bessjajew und zuletzt ein paar befreundete Feen, deren Auftauchen ein gewisses Missvergnügen bei Inga hervorrief …
»Machen Sie sich übrigens keine Sorgen wegen Ihrer neuen Bekannten«, sagte der Kommissar, als er Inga von der Bar zurückkommen sah. »Ich konnte die Herrscherhäuser dazu überreden, sie nicht zur Rechenschaft zu ziehen. Auf Probe zwar, aber immerhin …«
»Kann sie in der Verborgenen Stadt bleiben?«, fragte Jana.
»Ja«, bestätigte Santiago. »Inga wird zwar einige Fragen beantworten müssen, aber niemand wird ihr ein Haar krümmen. Das ist beschlossene Sache.«
»Vielen Dank«, sagte Artjom lächelnd. »Ich stehe in Ihrer Schuld, Kommissar.«
»Vergessen Sie’s.«
Santiago nickte Inga zur Begrüßung freundlich zu und wandte sich dann zum Podium. Ein Gongschlag
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