Die Hexenadvokatin
Ordnung, beging eine Todsünde und wurde auch von den weltlichen Behörden streng bestraft.
Im umgekehrten Fall allerdings, wenn ein männlicher Adelsspross sich in feminine Gewänder hüllte und sich nach Weiberart benahm, erklärte ihn seine Familie - sobald dieses Verhalten ruchbar wurde - für geisteskrank. Das hatte wenigstens den Vorteil, dass Staat und Kirche den Betreffenden in Ruhe ließen.
Keine Frage: Die junge Gräfin zu Mangfall-Pechstein hatte die neuerdings wieder sehr penetrant schnüffelnde Inquisition durchaus zu fürchten. Bei aller Zufriedenheit mit den Leistungen des ihm anvertrauten Schützlings lag der gute Benediktinerpater manche Nacht wach und grübelte darüber nach, ob es richtig gewesen war, dem Vater des Fräuleins in dieser speziellen Sache nachgegeben zu haben. Besondere Sorgen bereitete ihm dabei der Umstand, dass Alberta die Tragweite ihres Handelns noch immer nicht voll zu Bewusstsein gekommen war. Dies mochte einerseits ein Glück für ihren Seelenfrieden sein, andererseits aber stellte ihre Naivität auch eine große Gefahr dar - für sich und ihre Vertrauten.
KAPITEL 3
1. November 1603, auf Schloss Pechstein
WIE NICHT ANDERS zu erwarten, war es zum Zusammenstoß zwischen dem Grafen zu Mangfall-Pechstein und dem aus München angereisten »katholischen Spürhund«, einem Jesuitenpater mit Namen Francesco Alberini, gekommen.
»Was bildet dieser aufgeblasene Schwarzrock sich eigentlich ein? Wenn der glaubt, sich auf meinem Gebiet schlimmer als ein Dominikaner aufführen zu können, so, als besäße er hier das Herrenrecht, dann hat er sich aber gewaltig geschnitten«, knurrte Graf Wolfgang Friedrich beim Mittagessen. »Ich werde andere Saiten aufziehen müssen, damit der Mönch merkt, wer hier das Sagen hat.«
Eleonora, seine Gemahlin, schaute leicht indigniert drein. Sie kannte ihren Ehemann und sein loses Mundwerk und hatte Sorge, ihr Gemahl könne vor den beiden jüngeren Kindern Friedrich August und Auguste Friederike allzu sehr die Contenance verlieren.
Die fünf und sieben Jahre alten Kinder speisten zwar nicht mit den Erwachsenen am Tisch, wurden aber - nach Beendigung der Mahlzeit - von ihrer Kinderfrau, Frau Berta von Reichlin, an die Tafel geführt, um ihrem Vater für die erhaltenen Speisen mit einem Handkuss zu danken. Wolfgang Friedrich legte großen Wert auf diesen uralten, in seiner Familie üblichen Brauch.
Dass die im Speisesaal anwesenden Domestiken lange Ohren bekamen, war ebenfalls unvermeidlich, bekümmerte Eleonora aber weniger. Ihre Leute waren im Allgemeinen sehr loyal und würden sich eher die Zunge herausschneiden lassen, als Kompromittierendes über ihre Herrschaft nach außen zu tragen.
»Sprecht doch einfach mit dem Geistlichen aus München, Wolfgang Friedrich«, schlug sie versöhnlich vor und gab dabei dem Diener, der dem Grafen gerade Wein nachschenken wollte, ein diskretes Zeichen, dies zu unterlassen. Zu viel Alkohol machte ihren Mann womöglich noch aggressiver …
»Meine Liebe, das habe ich bereits versucht. Aber dieser Pfaffe ist sturer als zehn Maulesel! Die ganze Gegend macht
er mir rebellisch mit seinem saudummen Geschwätz über Hexenkunst und Zauberei. Die Leute bringt er mir auf blöde Gedanken, indem er sie auffordert, ihren Nachbarn und Freunden, ja sogar ihren Verwandten hinterherzuschnüffeln, ob diese vielleicht verbotene Praktiken ausüben!
Stellt Euch vor, Liebste, er verlangt beispielsweise von einem Sohn, dass dieser seine eigene Mutter anzeigt, wenn er glaubt, die Alte befasse sich mit Hexerei.«
»Um Gottes willen, das schafft doch nur Unfrieden in den Dörfern und Familien. Wie sollen denn diese Menschen je wieder in Eintracht miteinander leben können, wenn einer den anderen verleumdet und damit womöglich auf den Scheiterhaufen bringt!«, empörte sich die Gräfin. Diese Vorgehensweise ging auch ihr entschieden zu weit.
»In unserer Gegend herrschten bisher Ruhe und Toleranz. Damit wird es aber bald vorbei sein, wenn dieser Pater Alberini so weitermacht. Das muss ein Ende haben. Ich finde, Wolfgang Friedrich, Ihr solltet nach München reiten und mit unserem Herzog persönlich sprechen.
Schildert Herrn Maximilian die Lage und haltet ihm vor allem den Schaden vor Augen, den dieser übereifrige Hexenjäger bei uns anrichten wird. Soll er doch seinen Dienst in der Residenzstadt verrichten - da mag es genügend merkwürdige Leute geben, die er bespitzeln kann.«
Der Graf ließ sich diesen Vorschlag durch den
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