Die Hexengraefin
Unzahl brennender Kerzen, üppigen Blumengestecken, Fahnen und Bannern war das mächtige, gotische Gotteshaus geschmückt. Das gen Himmel strebende Gebäude war beinahe überfüllt gewesen.
Aus Anlass des illustren Besuches hatte der Bischof von Straßburg weder Kosten noch Mühen gescheut, um alles für den Empfang des hohen Gastes aufs Allerprächtigste herauszuputzen. Ein Armand-Jean du Plessis, Herzog und Kardinal de Richelieu kam schließlich nicht jeden Tag.
Der Freund des Bischofs und Erste Minister König Ludwigs XIII., von der französischen Majestät mit sämtlichen Regierungsaufgaben betraut, verbrachte derzeit wieder einmal einige Tage in der elsässischen Stadt.
Jetzt, Mitte Juni im Jahr 1631, war Thema Nummer eins aller Diskussionen die Gräuel von Tillys Soldatenmob, den der greise Feldherr auf die wehrlosen Bürger Magdeburgs losgelassen hatte. Bischof Leopold, Erzherzog von Österreich, wusste sich mit seinem hohen Gast einig in der Ablehnung solcher Plünderungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen.
»Ich bin Realist«, sagte Richelieu beim anschließenden Mittagsmahl zu seinem geistlichen Amtsbruder, »und weiß, dass ein gewisses Maß an Plünderungen den Siegern zuweilen durchaus zugestanden werden muss, aber sexuelle Übergriffe auf Kinder und Frauen haben zu unterbleiben – dafür gibt es schließlich in jedem Heer die Trosshuren -, und jeder Kommandeur hat solche Verfehlungen unnachsichtig zu ahnden. Das viehische Vorgehen der Leute von Maximilians General zeigt, dass der alte
Johann Tserclaes von Tilly zu wenig Autorität besaß und seinen Pöbelhaufen nicht mehr unter Kontrolle hatte. Eine sehr bedenkliche Causa, will mir scheinen.«
Und Seine Eminenz, ein Herr mit hagerem, kränklich gelbem Gesicht, legte den sorgfältig abgenagten Knochen einer knusprig gebratenen Gänsekeule auf dem Rand seines Tellers ab. Unauffällig leckte er sich die schlanken, ein wenig gichtigen Finger ab und griff alsdann zum geschliffenen Rotweinpokal aus böhmischem Kristallglas.
Kein Zweifel, der gewiefte Diplomat und Kirchenfürst aus Frankreich, dem Ludwig XIII. völlig freie Hand in der Ausübung sämtlicher Regierungsgeschäfte ließ, war ein Feinschmecker und Genießer – doch er genoss alles nur in Maßen – auch die Liebe, wie man munkelte. Auch sonst jeglicher Übertreibung abhold – es sei denn, es handelte sich um Hugenotten, die er unnachsichtig verfolgte -, hegte er keinerlei Sympathie für einen Mann wie Tilly und für dessen Herrn, den katholischen Eiferer und fanatischen »Hexenverfolger« Maximilian, den Herzog und Kurfürsten von Bayern, erst recht nicht.
»Der Bayer ist ein getreuer Anhänger des Kaisers. Und die Umklammerung Frankreichs durch die Habsburger im Süden durch Spanien und im Osten durch Österreich gefällt mir überhaupt nicht. Ich werde versuchen, diesen Würgegriff zu lösen«, ließ er seinen interessiert lauschenden Gastgeber wissen. Der Franzose sprach erstaunlicherweise ohne jede Scheu, obwohl der Bischof zur Familie dieser lästigen Habsburger gehörte.
Richelieu, dieser so gebrechlich aussehende Herr mit dem dünnen, schwarzen Spitzbart war nicht nur der mächtigste und klügste Mann am Hofe des Bourbonenkönigs, er war auch der gefürchtetste und am meisten gehasste Mann Frankreichs, weil er unnachsichtig jegliche Kritik an der Politik seines Königs ahndete. Der Bischof von Straßburg wusste, dass sein – trotz aller politischen Gegensätze – guter Freund, ein feinmaschiges Agentennetz über ganz Frankreich gelegt hatte und deswegen immer bestens informiert war.
Bischof Leopold, gleichfalls ein gebildeter, nüchterner Mann, aber ein naher Angehöriger des habsburgischen Kaiserhauses, gefielen die beinahe schon aberwitzige Protestantenhatz im Reich Ferdinands, sowie die überall sich ausbreitenden Hexenprozesse keineswegs. Die Notwendigkeit der Ersteren sah er wohl oder übel ein: denn zerfiel die Kirche, zerbrach auch das Reich. Anders waren die grausamen Prozesse gegen »Hexen« und Hexer zu beurteilen. Er fand diese Prozesswut scheinheilig und unerträglich. Denn ihm erschien es eines intelligenten Mannes des 17. Jahrhunderts unwürdig, sich mit einem Machwerk wie dem unsäglichen »Hexenhammer«, einem Leitfaden gegen zauberisches Unwesen, zu befassen.
Leider sahen Papst Urban VIII. und Kaiser Ferdinand II. das ganz anders, und so kam es immer wieder zu schauerlichen Hexenprozessen in seinem Herrschaftsbereich. Er ließ die Gerichte zwar
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