Die Brillenmacherin
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Jedes der vier Karpfenbecken am Flußufer war so groß wie ein See. Weißes Licht glitzerte auf dem Wasser. Der Wind wehte die Schirmchen der Kuhblumen hinein und trieb sie wie kleine Schiffe vor sich her. Von Zeit zu Zeit schnappte ein Karpfenmaul danach.
Hinter den Gehöften stakten Krähen über die Felder. Sie stocherten mit ihren dicken Schnäbeln im Stroh nach vergessenen Körnern. Schafe blökten.
Braybrooke schien ein idyllischer Ort zu sein, die Art, die der Wanderer in den Midlands für eine Mahlzeit und ein Bettlager auswählt, ein Dorf mit freundlichen Bewohnern. Das war es nicht. Braybrooke war ein Höllenpfuhl, ein Himmelstor.
Ein Sturm nahm hier seinen Anfang, der noch über diese Erde fegen wird, wenn längst der Fluß vertrocknet und die Karpfenbecken zu nutzlosen Kratern verkommen sind, an deren Herkunft sich niemand erinnert. An jenem Vormittag des 16. August 1386 ahnten wenige, welche Umwälzungen die Kraft bewirken würde, die in Braybrooke Atem schöpfte, und die ahnungsloseste unter den Ahnungslosen war Catherine.
Dabei würde sie es sein, die den Sturm entfesselte.
Catherine lehnte an der letzten Eiche des Rockingham Forest und sah hügelabwärts auf Braybrooke hinunter. Ihre Lippen zitterten.
Weiße Wollbausche schmückten den Himmel, die Luft strich warm über das Gras. Hinter den Karpfenbecken ragten fünf Türme aus dem Tal herauf, dunkle, hölzerne Finger. Der mittlere war bis zum ersten Knöchel aus Stein gemauert. Fahnen schmückten die Türme, Fahnen, rot wie Blut, auf jedes Tuch ein goldenes Kreuz genäht.
|8| Sie wischte sich Schlammspritzer aus dem Gesicht, polierte mit dem Ärmel den gläsernen Ring am Finger. Die Füße waren schwarz vom Straßenstaub.
Am Lederband entnahm sie dem Halsausschnitt ihres Kleides die hölzerne Dose. Sie drehte sie mit spitzen Fingern, öffnete den Deckel, zupfte den Lappen beiseite. Sie löste eine Brille heraus und bog die Rundungen am mittleren Nietgelenk auseinander. Zärtlich strich sie über die Einschnitte am oberen Rand der Fassung. Schließlich hielt sie sich die Brille vor die Augen. Ihre Finger griffen durch den Rahmen hindurch. Wo Gläser hingehörten, gähnten Löcher. »Diese bekommst du nicht, Elias. Diese nicht.«
Sie würde ihn zur Rede stellen, würde ihm sagen, daß sie sich mißachtet fühlte.
Sorgfältig verpackte sie den Brillenrahmen wieder. Als sie die Dose unter das Hemd geschoben hatte, blickte sie mit zusammengekniffenen Augen auf Braybrooke Castle hinunter. Dann stieg sie den Hügel hinab.
Dorfbewohner sammelten Äpfel am Rand der Straße und legten sie in geflochtene, bauchige Körbe. Als Catherine die Brücke erreichte, verstummte das Geschwätz der Dörfler, und sie hielten inne, um sie zu mustern.
Vor einem der ersten Häuser saß ein alter Mann und nähte einen Schuh. Auf dem Schemel zwischen seinen Knien lagen Ahle, Leder und verschiedene Messer. Der Alte blickte nicht auf, als ihm Catherine einen guten Tag wünschte. Sie wartete einen Augenblick, dann sagte sie etwas lauter: »Ich würde Euch gern um eine Auskunft bitten.«
»Müßt nicht brüllen.« Seine brüchigen Lippen entblößten Zahnlücken.
»Ich suche den Brillenmacher.«
»Ihr seid eine Fremde. Wer schickt Euch?«
»Niemand schickt mich. Könnt Ihr mir sagen, wo ich Elias Rowe finde?«
Bedächtig las der Alte seine Werkzeuge zusammen und klemmte sich zum Schluß noch den Schuh unter den Arm. |9| »Hier gibt es keinen Brillenmacher. Geht, schnüffelt woanders.« Damit verschwand er im Haus.
»Ich habe freundlich gefragt.« Sie sah zur Burg hinüber. Ihre
Füße setzten sich in Bewegung, schwerfällig, als hingen Gewichte daran. Sie passierte die Karpfenbecken, Wasserbäuche voller Tiere, Fischgefängnisse. Männer standen oben auf den Wällen und streuten Getreide in die Teiche. Drei von ihnen schleppten ein Netz zur Burg. Befloßte Tierleiber hingen darin und tropften. Catherine wich den Pfützen aus.
Größer und größer wuchs die Burg. In das dunkle Holz waren Schießscharten eingelassen. Wo der Weg die Mauer berührte, sprang ein Einlaßhaus vor. Catherine sah an den eisenbeschlagenen Torflügeln hinauf. Als sie anklopfte, hörte man nichts. Das Holz wies ihre Hand ab wie eine lästige Mücke.
Sie drehte sich herum und blickte den Weg zurück. Tränen standen ihr in den Augen. Catherine holte mit dem Fuß aus, trat gegen das Tor.
Eine kleine Tür öffnete sich. »Was willst du?« Der Wächter roch nach
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