Die Hexenmeister
Beinen, die so wie Dreiecke ausgerichtet waren. Der untere Teil der Wand selbst reichte fast bis zum Boden. Wenn überhaupt, dann waren nur unsere Schuhe zu sehen.
Romano Testi fand die Idee so gut, daß er sich in lauter Vorfreude schon die Hände rieb. Dann zerrte er die Reklamewand herbei. Ich brauchte ihm dabei nicht zu helfen, das schaffte er allein.
Nicht hinter, sondern vor der Wand blieb Testi stehen und schaute auf das Geschriebene. Seine Zunge fuhr über die Lippen. »Wenn man das liest, kann man direkt Appetit bekommen.«
Da hatte er nicht unrecht. In bunten und großen Buchstaben wies das Geschriebene auf eine italienische Freßwoche hin, die in allen Restaurants des Hotels durchgeführt wurde.
»Ihr habt ja dazugelernt, ihr Engländer.«
»Wie meinen Sie das?«
»Essen aus Italien. Art vivendi – die Kunst zu leben. Das ist das Allerhöchste.«
»Sie essen gern, nicht?«
»Und wie.« Er zeigte auf seinen Bauch. »Wenn die Sache hier ausgestanden ist, lade ich Sie zum Essen ein. Dann schlagen wir uns mal so richtig durch.«
Ich schüttelte innerlich nur den Kopf über ihn. Es war eigentlich unmöglich, wie sich dieser Kollege benahm. Wir gingen nicht zu einer Betriebsfeier, sondern wollten den harten Drogendealer stellen, aber Testi tat so, als wäre das alles normal. Er nahm es völlig locker.
Hinter der Wand bauten wir uns auf. Blieben aber an deren Rand stehen, so daß wir ohne Verrenkungen um die Tafel herumschauen konnten. Ab nun begann das Warten.
Eine genaue Uhrzeit hatte mir Testi nicht angeben können. Er rechnete damit, daß die Übergabe noch weit vor Mitternacht durchgezogen wurde.
So sollten sie es angeblich immer gehandhabt haben, und sie wußten auch nicht, wer ihnen auf der Spur war.
Ich fühlte mich weniger wohl als Romano Testi. Es mochte daran liegen, daß ich ja kein normaler Polizist war, sondern mich mit Fällen beschäftigte, die rational oft nicht zu erklären waren. Natürlich hatte ich mich dabei oft genug mit Gangstern herumschlagen müssen, aber so direkt wie heute, war ich selten mit ihnen konfrontiert worden.
Drogengangster waren gefährlich und tödlich. Daran gab es nichts zu rütteln. Wenn sie ihre Geschäfte gefährdet sahen, schössen sie rücksichtslos, aber Testi schien das nicht so zu sehen. Jedenfalls gab er sich äußerlich mehr als locker. Er lehnte mit dem Rücken an der Wand, hielt die Augen halb geschlossen und summte ein sizilianisches Volkslied vor sich hin. Bis zu dem Augenblick, als gleich vier Wagen in die untere Etage der Tiefgarage fuhren.
Sofort waren wir hellwach. Testi zog sogar seine mächtige Kanone. Ich hatte die Beretta hervorgeholt.
Nicht die mit den Silberkugeln. Ich hatte mir für eine zweite normale Munition geben lassen, 6-mm-Patronen.
Vier Autos, das sah nach einem Gangstertreffen aus. Sie rollten nebeneinander in die Parlücken, und Testi schüttelte den Kopf.
»Wieso nicht?« flüsterte ich.
»Ganz einfach. Sie würden nie mit der Schnauze zur Wand parken. Ein Wenden in der Garage wäre ihnen viel zu aufwendig.«
»Stimmt.«
»Man bekommt eben einen Durchblick, wenn man sich mit den Typen beschäftigt.« Es stiegen Leute aus, die sich kannten, sehr gut gekleidet waren und wahrscheinlich im Hotel essen oder feiern wollten. Wir steckten unsere Waffen wieder ein.
»Pech gehabt, John.«
»Wäre es Ihnen anders lieber gewesen?«
Testi nickte. »Dann hätten wir es jetzt schon hinter uns. So beginnt die Warterei von vorn, und mein Hunger wird immer größer. Das paßt mir gar nicht. Wenn so etwas eintritt, kann ich zum Tier werden und leicht durchdrehen.«
Ich schüttelte den Kopf. »Sie haben vielleicht Nerven, Testi. Denken Sie denn nicht daran, daß auch etwas schiefgehen könnte?«
»Nein.«
»Was macht Sie so sicher?«
Testi lächelte breit. »Sie können es Gefühl oder Intuition nennen, Sinclair.«
»Nur das?«
Er schaute mich mit einem ungewöhnlichen Blick an, als wäre er dabei zu überlegen, ob er mir etwas mitteilen sollte. Er ließ es bleiben und sprach von seiner Heimat Sizilien, wo das Wetter nicht so herbstlich, sondern noch sommerlich warm war.
»Sind Sie schon lange von Catania weg?«
Er nickte. »Mehr als sieben Jahre. Aber ich fahre immer wieder zurück zu meiner Familie.«
»Leben die Eltern noch?«
»Mein Vater schon, meine Mutter nicht mehr. Sie ist vor kurzem gestorben. Es war schlimm…« Seine Stimme versickerte, er mußte sich räuspern. Es war zu sehen und auch zu hören, daß Testi
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