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Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition)

Titel: Gesetz der Rache: Roman (Artikel 5, Band 2) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristen Simmons
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K APITEL
    1
    Das Wayland Inn lag hinter den Slums am westlichen Ende von Knoxville. Das Haus schimmelte seit dem Krieg vor sich hin, war voller Fliegen, die sich in den verstopften Abwasserkanälen vermehrten, und am Nachmittag trug der Wind den Gestank des verschmutzten Flusswassers herbei. Ein Ort, der jene anlockte, die im Schatten lebten, Leute, die man suchen musste, wenn man sie finden wollte.
    Die Ziegelmauern des Motels, schimmelfleckig und überzogen von toten Efeuranken, passten hervorragend zu den mit Brettern vernagelten Bürogebäuden in der Nachbarschaft. Das Wasser war, wenn es überhaupt floss, eiskalt, die Sockelleisten voller Mauselöcher, und es gab nur ein Badezimmer in jedem Stockwerk. Manchmal war es sogar benutzbar.
    Es war der perfekte Ort für den Widerstand: versteckt vor aller Augen in einem Häuserblock, der so heruntergekommen war, dass sogar die Soldaten ihre Streifenwagen nicht verlassen mochten.
    Wir trafen uns vor Anbruch der Morgendämmerung, noch ehe der Strom wieder eingeschaltet wurde, am Vorratsraum, um auf Wallace’ Anweisungen zu warten. Die Nachtpatrouillen waren immer noch draußen, wachten über die Umgebung und warteten wie die stationären Wachen – an der Tür zum Treppenhaus, auf dem Dach und am Funkgerät – darauf, von der Tagesschicht abgelöst zu werden. Die Ausgangssperre würde bald enden, und sie waren hungrig.
    Ich hielt mich im Hintergrund an der Wand und überließ die vorderen Reihen denen, die schon länger dabei waren. Der Korridor füllte sich schnell; kam man zu spät, brummte Wallace einem eine Sonderaufgabe auf, die niemand haben wollte. Die Tür zum Vorratsraum stand offen, und wenn ich auch unseren Anführer nicht sehen konnte, warf doch zumindest der Kerzenschein seinen schmalen, leicht verzerrten Schatten an die Wand im Inneren.
    Er sprach mit jemandem über das Funkgerät; ein leises Knistern erfüllte die Luft, während er auf eine Antwort wartete. Ich nahm an, dass er mit der Gruppe sprach, die er vor zwei Tagen zu einem Sondereinsatz abkommandiert hatte: Cara, das einzige andere Mädchen im Wayland Inn, und drei große Kerle, die vom Federal Bureau of Reformation rausgeworfen worden waren – anders ausgedrückt, von der Moralmiliz, wie wir die Soldaten nannten, die nach dem Krieg die Herrschaft übernommen hatten. Aus Neugier beugte ich mich ein wenig vor, aber allzu dicht ging ich nicht heran. Je mehr man wusste, desto mehr konnte die MM aus einem herausholen.
    »Seid vorsichtig.« Ich erkannte Wallace’ Stimme, nicht aber den besorgten Tonfall. So mild hatte ich ihn in Gegenwart anderer Menschen nie erlebt.
    Sean Banks, mein ehemaliger Aufseher aus der Besserungs- und Resozialisierungsanstalt für Mädchen, stolperte aus dem Zimmer und zog sich das Hemd über die Rippen. Zu dünn , dachte ich, aber wenigstens hatte er ein bisschen geschlafen – seine blauen Augen wirkten ruhiger als zuvor, nicht mehr so angespannt. Er suchte sich einen Platz an der Wand gleich neben mir und rieb sich das Gesicht, in dem noch Abdrücke des Kissens zu sehen waren.
    »Bin ich immer, Hübscher« , ertönte Caras gedämpfte Antwort, und dann verstummte das Funkgerät.
    »Hübscher?«, äffte sie ein Ex-Soldat namens Houston nach, der sich unerlaubt von der Truppe entfernt hatte. Sein rotes Haar war inzwischen nachgewachsen und flatterte ihm wie die Schwanzfedern eines Huhns über den Nacken. »Hübscher?« , wiederholte er. Im Gang war es lauter geworden; etliche der Jungs kicherten.
    »Du hast gerufen?« Lincoln, dessen Sommersprossen immer irgendwie aussahen, als hätte ihm jemand schwarze Farbe auf die hohlen Wangen gespritzt, tauchte neben Houston auf. Sie waren letztes Jahr gemeinsam zum Widerstand gekommen, und ich hatte in meiner Zeit hier nie einen ohne den anderen gesehen.
    Das Geplapper verklang, als Wallace um die Ecke kam. Er brauchte eine Dusche; sein schulterlanges, grau meliertes Haar war fettig und strähnig und seine Gesichtshaut vor Erschöpfung angespannt, aber sogar in dem trüben, gelben Licht der Taschenlampen waren seine geröteten Ohren unverkennbar. Ein scharfer Blick, und Houston versteckte sich hinter Lincoln.
    Ich runzelte die Stirn. Wallace kam mir zu alt vor für Cara; sie war zweiundzwanzig, er mochte doppelt so alt sein. Außerdem war er mit der Sache verheiratet. Alles andere, jeder andere, konnte stets nur an zweiter Stelle kommen.
    Geht mich nichts an, ermahnte ich mich in Gedanken.
    Elf junge Männer drängten sich in

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