Die Himmelsfestung
nicht ruhig stehen?« schimpfte die Krause Tildi. »Du schwankst wie ein junger Baum im Herbststurm.« Sie galt als zerstreut und nicht selten zänkisch. Dabei meinte sie es oft nicht so. Mythor war überzeugt davon, daß sich unter ihrer rauhen Schale ein weicher Kern verbarg. Tildi holte mehrere lederne Beutel aus dem Versteck und ließ sie allesamt zwischen den Falten ihrer Gewänder verschwinden. Zwei kaum handflächengroße tönerne Tiegel waren bis zum Rand mit verschiedenfarbigen lehmartigen Massen angefüllt. Das Wurzelweib bohrte einen Finger hinein und leckte daran. Schließlich nickte sie zufrieden.
»Laß mich wieder runter«, forderte sie Mythor auf.
»Haben wir alles?«
»Nun mach schon. Ich will mich nicht ewig in diesen Höhlen verkriechen.« Offensichtlich ging es ihr zu langsam, denn sie begann, Mythor mit ihren Fersen zu traktieren. Um ein Haar, hätte er sie fallen gelassen.
»Willst du, daß ich mich zu Tode stürze?« krächzte sie. »Ist das der Dank für meinen Beistand?«
Mythor ließ sie reden, weil er wußte, daß sie sich genauso schnell wieder beruhigte.
Hintereinander stiegen sie die glitschigen Stufen hinauf.
»Wenn du auch nur einen Teil verschüttest, mußt du noch einmal gehen«, warnte Tildi. »Und außerdem: laß mich vor. Ich möchte nicht von einem Koloß wie dir zerquetscht werden, falls du ausrutschst.«
Endlich gelangten sie wieder in Barborurs Höhle.
»Häng den Kessel an den Haken und mach Feuer. Aber leg nicht zu viel Holz auf. Das Wasser darf auf keinen Fall kochen.«
Neben dem aufgeschichteten Ring aus Feldsteinen lagen ein kleines Häufchen Zunder und zwei fast nicht mehr zu gebrauchende Feuersteine. Mythor hatte Mühe, mit ihnen Funken zu schlagen.
Ein dumpfes Knurren ließ ihn aufsehen. Roar, der muskulöse, grünhäutige Wilde, stieß ihn einfach zur Seite. In seinen Augen funkelte es, als er sich mit der Faust an die Brust schlug.
»Du willst Feuer machen?«
Obwohl Roar die Bedeutung der Worte nicht verstand, stieß er eine Reihe auffordernder Laute aus. Er riß Mythor die Steine förmlich aus der Hand, ließ sich auf die Knie sinken und schlug die Feuersteine krachend gegeneinander. Augenblicke später züngelte eine kleine Flamme empor, die im Zunder rasch Nahrung fand. Roar wog einen der dicken Knüppel in der Hand und deutete auf Mythors Schwert. Er grinste, und seine ohnehin kleinen Augen verschwanden dabei fast gänzlich unter den dicken Brauenwülsten. Sein Raubtiergebiß mit den langen Reißzähnen wirkte furchteinflößend. Ilfa reichte ihm ihre Klinge, und er begann sofort, das Holz in kleine Scheite zu spalten.
Das Feuer brannte nahezu ohne Rauchentwicklung. Harzgeruch breitete sich aus.
Als vom Boden des Kupferkessels kleine Luftblasen aufstiegen, leerte die Krause Tildi der Reihe nach den Inhalt sämtlicher lederner Beutel ins Wasser. Es waren getrocknete Beeren, Wurzeln, Blütenblätter und frische Triebe von Nadelbäumen. Mit einer langstieligen, plumpen Kelle, die zur Barborurs spärlicher Habe gehörte, rührte sie den entstehenden Sud heftig um.
Aromatische Dämpfe kräuselten sich zum Rauchabzug in der Höhlendecke hinauf. Das Wasser verfärbte sich grünlich. Während die Flammen kleiner wurden und schließlich in sich zusammenfielen, nahm es einen fast schwarzen Ton an. Die Krause schöpfte mit der Kelle.
»Hier«, sagte sie. »Trink das.«
Mythor bedachte das Gebräu mit einem argwöhnischen Blick. Es roch inzwischen ziemlich bitter.
»Was ist? Hast du kein Vertrauen zu mir? In einem Zug runter damit.«
Wie schlechter und noch dazu brühwarmer Wein rann der Kräutersud durch Mythors Kehle. Er mußte mit sich kämpfen, um nicht mittendrin abzusetzen. Seine Augenwinkel schimmerten feucht, als er die Kelle mit dem Inhalt eines Humpens endlich geleert hatte, und er begann krampfhaft zu husten.
»Na also«, lachte das Wurzelweib. »Und weil es so gut ging, gleich noch einmal.«
Mythor würgte. »Du meinst, ich soll das alles…«
Tildi starrte ihn ungläubig an.
»Bist du von Sinnen? Ich will keinen Waldgeist aus dir machen, sondern deine Erinnerung zurückholen.«
Er leerte auch die zweite Kelle, was ihm überraschend leichter fiel. In sich hinein lauschend, stellte er fest, daß er nicht die geringste Wirkung verspürte.
»Ungeduld ist der Feind aller Magie«, zitierte Tildi und fügte bissig hinzu: »Es sollte dir keine Mühe bereiten, an gar nichts zu denken. Leg dich hin, am besten auf Barborurs Strohhaufen, aber zieh
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