Die Himmelsfestung
Schließlich, als er sich wieder besser fühlte, fischte er seinen Hut aus dem See und setzte ihn auf. Ein Schwall Wasser rann über sein Gesicht, und ein kleiner, zappelnder Fisch fiel genau vor seine Füße. Fryll warf das Tier ins nasse Element zurück.
In einer Anwallung von Zorn ballte er die Fäuste und sprang wütend mehrmals hintereinander mit beiden Füßen hoch.
»Ich hasse dich, Hogun«, fauchte er aufgebracht. »Dich und dein elendes Gesindel.«
*
Einen ganzen Tag lang waren Mythor und seine Begleiter unterwegs gewesen, bis sie mitten im tiefsten Forst plötzlich vor einer dunkel gähnenden Höhle standen. Weit ausladende Bäume sowie dichtes Buschwerk verdeckten den Eingang fast völlig.
»Wartet hier«, bestimmte die Krause Tildi. »Ich will sehen, ob Barborur zu Hause ist.«
»Wer ist Barborur?« fragte Ilfa, aber die Krause hörte sie schon nicht mehr. Mythor zuckte mit den Schultern, und Roar stieß ein unverständliches Grunzen aus.
Aus der Höhle erklang dumpfes Brummen. Ein bärenhaftes Geschöpf mit lederartigem Gesicht und honigfarbenem Fell kam ihnen entgegen. Auf die Hinterbeine aufgerichtet, tappte es schwerfällig heran, betrachtete erst das Wurzelweib und dann Tildis Begleiter.
»Keine Angst«, sagte die Krause, obwohl jeder der drei an ihrer Seite es mit mehreren solcher Gegner aufgenommen hätte. »Barborur ist ein Freund und tut niemandem etwas zuleide.«
Der Bär legte seine Tatzen auf Tildis Schultern, daß es aussah, als wolle er sie zerquetschen. Knurrend den Rachen öffnend, entblößte er scharfe Reißzähne. Wenn er jetzt zupackte, war es um das Wurzelweib geschehen.
Mythor riß sein Schwert hoch, um ihr beizustehen. Barborur bemerkte die Bewegung hinter seinem Rücken und fuhr ruckartig herum.
»Nicht, Mythor«, rief Tildi. »Der Taetz wollte mich nur begrüßen.«
»Wollte ich«, bestätigte Barborur dumpf und zur Überraschung aller. »Die Krause war lange nicht mehr hier.« Er betrachtete Roar und Ilfa aus seinen großen runden Augen und wandte sich dann brummend um.
Tildi folgte dem Taetz als erste. Der von stickiger, abgestandener Luft erfüllte Gang endete in einer geräumigen Höhle. Eine fahle Helligkeit herrschte hier. Zum Teil kam sie von den Leuchtmoosen, die auf den rauhen Felswänden wucherten, zum anderen fiel sie durch das annähernd kreisrunde Loch in der Höhlendecke herein, das zugleich Rauchabzug für die Feuerstelle war. Von einem Wall aus Feldsteinen umgeben, lagen dicke, dürre Knüppel aufgeschichtet. Ein in den Boden gerammtes vierbeiniges Eisengestell bot dem großen, aus Kupfer gehämmerten Kessel Halt, in dem die Reste eines würzig riechenden Suds schwammen. Nur wenige Schritt daneben befand sich eine aus Stroh und Heu aufgeschüttete Lagerstatt. Die Höhle besaß noch einen zweiten, allerdings weit schmaleren Zugang. Ein Hauch kühler Luft wehte aus dieser Richtung herein, begleitet vom leisen Plätschern von Wasser.
Der Bär ließ sich auf seine Hinterbacken niedersinken und blickte die Krause herausfordernd an. »Erzähle«, forderte er sie auf. »Was führt dich zu mir?«
Sie deutete auf Mythor. »Eigentlich sein Schicksal; er ist ein Mann ohne Vergangenheit. Du mußt mir helfen, damit er seine Erinnerung zurückerlangt.«
»Hat Tildi, die selbst so vieles vermag, mich schon einmal um Beistand gebeten?« Barborur begann, ausgiebig sein Fell zu kratzen.
»Ich tue es jetzt«, keifte das Wurzelweib. »Irgendwann ist immer das erste Mal. Mythor hat mich vor Unabitt bewahrt, zum Dank versprach ich, mich mit seinen Problemen zu befassen.«
»Damit habe ich nichts zu schaffen.« Unwillig wälzte der Taetz sich herum und stieß die Krause mit der Schnauze an. »Du hast einen schlechten Tag erwählt; ich muß zur Himmelsfestung, um einen Artgenossen abzulösen. Diese Aufgabe duldet keinen Aufschub; nicht eine Stunde werde ich versäumen, Vailitas Monument zu behüten.« Die Krause Tildi seufzte voll verhaltener Ungeduld. »Keiner verlangt das von dir. Doch du besitzt magische Dinge aus der Burg, deren ich bedarf…«
»Nimm dir von allem, auch wenn es nicht viel ist.« Barborur richtete sich wieder zu voller Größe auf. »Ich werde lange fort sein«, sagte er. »Du kannst in meiner Höhle bleiben, als wäre es die deine.« Dann trottete er davon, ohne sich noch einmal umzuwenden.
Roar, der sich bislang überraschend ruhig verhalten und aufs Beobachten beschränkt hatte, obwohl er kein Wort von alldem verstand, was gesagt worden war,
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