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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schattenerfüllte Halbdunkel vor sich. In ihren Ohren rauschte das Blut noch immer so laut, dass sie gar nicht erst versuchte, etwas anderes zu hören, aber nun sah sie wenigstens die Bewegung wieder: Etwas Helles regte sich im Unterholz, direkt hinter einem mannshohen Gebüsch, kaum eine Armeslänge vor ihr, und sie spürte die Nähe von jemand anderem mehr, als dass sie ihn sah oder hörte. Ohne ihre aufgewühlten Gedanken unter Kontrolle zu bringen, bewegte sie sich direkt darauf zu, obwohl ihr eine Stimme immer drängender zuflüsterte, dass sie sich sofort umdrehen und so schnell wie möglich weglaufen sollte.
    Im nächsten Augenblick war sie sehr froh, nicht darauf gehört zu haben.
    Zunächst erkannte Arri nur die Stimme, obwohl ihre Mutter gar nichts sagte, sondern nur ein tiefes, lang anhaltendes Seufzen hören ließ, dann bewegte sie sich vorsichtig weiter, ließ sich vor dem dornigen Gebüsch in die Hocke sinken und bog unendlich behutsam die Zweige auseinander.
    Nein, sie hatte sich nicht getäuscht. Es war ihre Mutter, und sie war nicht allein.
    Auf der anderen Seite des Gebüschs befand sich eine freie Stelle am Waldboden, auf dem Moos und wuchernde Flechten fast so etwas wie eine natürliche Lagerstatt bildeten. Ihre Mutter lag nackt auf dem Rücken auf diesem weichen Bett und hatte die Beine um die Hüften einer muskulösen, dunkelhaarigen Gestalt geschlungen, die auf ihr lag und sich langsam und rhythmisch vor und zurück bewegte. Arri konnte das Gesicht des Mannes in dem schattigen Halbdunkel nicht erkennen, aber zweifellos war es niemand anderes als Rahn (wer sollte es sonst sein?), den sie nun das zweite Mal zusammen mit ihrer Mutter überraschte. Nur, dass es Lea diesmal nicht annähernd so unangenehm zu sein schien wie vor ein paar Nächten in ihrem Haus. Ganz im Gegenteil: Ihr Seufzen und Stöhnen wurde immer heftiger (und es waren ganz eindeutig keine Schmerzenslaute), und ihre Schenkel umklammerten Rahns Leib mit immer größerer Kraft. Ihre Hände gruben sich so fest in seinen Rücken, dass ihre Fingernägel blutige Schrammen auf seiner Haut hinterließen.
    Arri bog die Äste vorsichtig noch ein wenig weiter auseinander, um besser sehen zu können, obwohl sie kein gutes Gefühl dabei hatte. Durch das nahezu vollkommen geschlossene Blätterdach des Waldes drang nur sehr wenig Licht, sodass sie kaum mehr als Schemen wahrnahm; zwei ineinander verschlungene Leiber, die sich jetzt immer schneller und hektischer bewegten, im gleichen Maße, wie auch das Seufzen ihrer Mutter zunahm und Rahns Atemzüge schneller und schärfer wurden.
    Es war sonderbar. Der Anblick war Arri ebenso peinlich, wie er sie auch in den Bann schlug und es ihr fast unmöglich machte, sich von ihm zu lösen. Sie wollte das nicht sehen, nicht bei ihrer Mutter, und dennoch saugte sich ihr Blick beinahe gierig an jeder Bewegung fest, löste das, was sie eigentlich viel mehr erahnte als sah, doch eine sonderbare Sehnsucht in ihr aus; ein Sehnen nach etwas, das sie gar nicht kannte und auf das sie doch zeit ihres Lebens gewartet hatte, ohne es bis zu diesem Moment auch nur zu wissen.
    Nach jener Nacht, in der sie Lea und Rahn überrascht hatte, hatte ihre Mutter ihr geduldig und in aller Ausführlichkeit erklärt, was sie da eigentlich gesehen hatte, und sie hatte geglaubt, es auch verstanden zu haben. Aber das stimmte nicht. Sie hatte die Worte verstanden, aber nicht, was sie bedeuteten. Jetzt verstand sie es, aber zugleich wuchs ihre Verstörtheit ins Unermessliche. Was sie sah, wurde ihr mit jedem Atemzug peinlicher, aber auch das Sehnen und Wünschen in ihr nahm zu; wenngleich auf eine erschreckende, verbotene Weise.
    Das Ringen stöhnender Schatten ging weiter, und plötzlich warf sich ihre Mutter herum, schob Rahn von sich und glitt mit einer fließenden Bewegung hoch, bis sie rittlings auf ihm saß und mit einem Seufzen, das schon fast wie ein kleiner Schrei klang, den Kopf in den Nacken warf. Ihre Augen waren geschlossen, und auf ihrem Gesicht lag ein Ausdruck, der irgendwo zwischen höchster Verzückung und abgrundtiefer Qual zu schwanken schien, aber sie hatte das Gesicht jetzt genau in Arris Richtung gedreht, und wenn sie die Augen auch nur um einen winzigen Spalt öffnete, dann musste sie sie einfach sehen.
    Vorsichtig ließ Arri den Zweig wieder an seinen Platz zurückgleiten, bewegte sich dann in der Hocke zwei, drei Schritte weit zurück und stand lautlos auf - was im Grunde wenig Sinn ergab, denn Leas Keuchen und

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