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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie sie belogen hatte. Welchen Grund sollte sie dafür haben?
    »Warum schließen wir nicht Frieden?«, fragte Rahn. »Wenigstens für die Zeit, bis deine Mutter zurück ist?«
    Arri war für einen Moment hin- und hergerissen. Rahns Angebot klang nicht nur verlockend, es klang ehrlich, auch wenn es ihr nicht behagte, das zuzugeben, und vielleicht würde sie es später annehmen, aber noch war sie nicht bereit dazu. Sie beließ es bei einem feindseligen Blick in sein Gesicht, drehte sich mit einem Ruck um und ging mit trotzig in den Nacken geworfenem Kopf auf die Stiege zu. Ihre Gedanken kreisten um das, was Rahn gesagt hatte. Der Ochsenkarren, von dem er gesprochen hatte, war der einzige, den es im ganzen Dorf gab, das einzige Transportmittel, das groß genug war, um mehr als einen Ballen Heu oder zwei große Wasserkrüge damit von der Stelle zu bewegen. Wenn Lea ihn nicht genommen hatte, wie wollte sie dann all die Dinge hierher schaffen, von denen sie gesprochen hatte?
    Falls sie es überhaupt wollte.
    Arri schrak noch immer vor dem bloßen Gedanken zurück - aber was, wenn ihre Mutter tatsächlich nicht die Wahrheit gesagt hatte? Wenn sie nicht fortgegangen war, um Material und Werkzeug für Kron und den Blinden zu holen, sondern aus einem ganz anderen Grund?
    Was, wenn sie nicht wiederkommen würde, weil sie nur für sich allein eine Bleibe für den Winter suchte?
    Dieser Gedanke war so erschreckend, dass Arri ihn hastig von sich schob, oder es doch wenigstens versuchte. Aber es gelang ihr nicht ganz. Er war wie ein schleichendes Gift, mit dem sie sich einmal infiziert hatte und das nun seine Wirkung entfaltete, langsam, aber auch unaufhaltsam. Wenn ihre Mutter in diesem einen Punkt die Unwahrheit gesagt hatte, wieso dann auch nicht in einem anderen? Und schließlich hatte sie ihre Unsicherheit und Verwirrung selbst gespürt, vorhin noch, als Lea sich von ihr verabschiedet hatte.
    Noch bevor sie die Stiege erreichte, kam sie zu einem Entschluss. Sie würde das tun, was sie von Anfang an hätte tun sollen, nämlich, ihren Befehl missachten und ihr folgen. Zu Fuß konnte ihre Mutter nicht sehr viel schneller vorankommen als sie selbst, wenn sie sich beeilte, und sie hatte in den letzten Wochen keine Gelegenheit ausgelassen, ihrer Tochter all ihre Fähigkeiten und Kenntnisse beizubringen, zu denen auch ein Geschick im Spurenlesen gehörte, das dem Grahls und der anderen Jäger gleichkam. Spätestens wenn die Sonne aufging, würde sie ihre Spur finden. Sie musste nur Rahn loswerden, und als sie den Fuß auf die unterste Treppenstufe setzte und ihr ein besonders lautes, grunzendes Schnarchgeräusch aus der Hütte entgegendrang, wusste sie auch, wie.
    Statt sich umzudrehen und dem Fischer mit ein paar energischen Worten nachhaltig zu verbieten, der Hütte auch nur nahe zu kommen - wozu sie eben noch fest entschlossen gewesen war -, eilte sie die wenigen Stufen hinauf, blieb unter der Tür stehen und winkte ihm im Gegenteil zu, ihr zu folgen. Rahns Gesicht lag im Schatten des Hauses, aber sie spürte seine Überraschung und sah auch, dass er einen Moment zögerte, ihr dann aber mit umso energischeren Schritten nachkam. Arri dachte vorsichtshalber erst gar nicht darüber nach, was jetzt in seinem Kopf vorgehen mochte; aber was immer es auch war, er würde gleich eine ziemlich unangenehme Überraschung erleben.
    »Bring einen Krug Wasser mit«, rief sie ihm zu. »Ich mache uns ein Frühstück. Es ist noch etwas kaltes Fleisch von gestern Abend da.«
    Sie wartete nicht ab, ob Rahn ihrer Bitte nachkam oder nicht, sondern schlug den Vorhang bewusst grob zur Seite und schlich auch nicht auf Zehenspitzen ins Haus, so wie sie es vorhin verlassen hatte, sondern trampelte regelrecht hinein. Achk warf sich betont auffällig auf seinem Lager herum und ließ einen einzelnen, fast explosiven Schnarcher hören, aber sie spürte, dass er nicht echt war. Der Schmied war wach; das war er schon gewesen, als sie hereingekommen war.
    Arri polterte weiter nach Kräften herum, und Achk tat weiter sein Bestes, um den Schlafenden zu spielen, während sie Feuerholz und Späne holte und mit geschickten Bewegungen die Lampe anzündete. Als Rahn, einen langsam, aber beständig leckenden Krug in beiden Händen tragend, gebückt durch die Tür trat, war der Raum vom milden, gleichmäßig gelb brennenden Schein der Öllampe erhellt. Rahn maß die kaum fingergroße Flamme mit einem unruhigen Blick, während er seine Last zum anderen Ende des Raumes trug

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