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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Flüsse steigen.«
    Sie machte eine unbestimmte Bewegung in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Das ist es, was Nor und Sarn und all die anderen fürchten, Arianrhod. Nicht meine Heilkunst, denn die können sie verstehen. Nicht mein Wissen um die Natur, das Verhalten der Tiere, denn das ist gar nicht so viel größer als das ihre. Manches habe ich erst in diesem Land und von den Menschen hier gelernt. Was sie fürchten, ist mein Wissen um die Zeit, um den Weg der Sonne und des Mondes, und um die Jahreszeiten. Es hat nichts mit den Göttern oder Magie zu tun, Arianrhod. Unser Volk hat den Himmel über zahllose Generationen hinweg beobachtet, und vor unserem ein anderes und davor wieder ein anderes. Es ist nur das gesammelte Wissen zahlloser Generationen. Nicht mehr.«
    »Aber warum sagen sie es den Menschen dann nicht einfach?«, wunderte sich Arri.
    Zu ihrer Überraschung lachte Lea auf. »Aber wo kämen wir hin, wenn jeder einfache Bauer und Fischer wüsste, wann es Zeit ist, etwas Bestimmtes zu tun oder zu lassen?« Sie lachte erneut und schüttelte heftig den Kopf, als hätte Arri einen besonders guten Scherz gemacht. »Du hast es bereits begriffen, Arianrhod, auch wenn du es vielleicht selbst nicht weißt. Das hier ist das letzte Geheimnis der Priester. Wenn du es offenbarst, beraubst du sie ihrer Macht über die Menschen, und das ist es, was sie fürchten. Wüsste Nor genau, wo mein geheimes Wissen verborgen ist, hätte er es mir längst gestohlen und mich getötet.«
    Arri erinnerte sich an das Gespräch mit dem greisen Hohepriester. »Deshalb hat er von dir verlangt, dass du es ihm sagst?«
    Lea nickte. »Ja. Und ich hätte den Moment, in dem ich es getan hätte, nicht einmal um einen Atemzug überlebt, so wenig wie du.« Sie ließ sich wieder in die Hocke sinken und rammte das Schwert genau zwischen sich und Arri in den weichen Boden. Ihre rechte Hand lag flach auf dem Knauf. »Ich werde dich lehren, es zu gebrauchen. Es ist nicht einmal so schwer, wenn man das Geheimnis kennt. Aber du darfst es niemals preisgeben, hörst du? Niemandem, ganz gleich, wie sehr du ihm auch vertraust.«
    »Das verspreche ich«, sagte Arri, doch ihre Mutter schüttelte den Kopf und machte zugleich eine abwehrende Bewegung.
    »Nein«, sagte sie, »versprich nichts vorschnell. Bald wird eine Zeit kommen, in der du andere Menschen triffst, denen du glaubst, vertrauen zu können. Du wirst die Liebe kennen lernen, und das wünsche ich dir von ganzem Herzen. Und doch darfst du nie jemandem das Geheimnis dieses Schwertes verraten.«
    Arri begriff erst ganz langsam, wovon ihre Mutter überhaupt sprach - nämlich nicht nur von diesem Schwert und seinem Geheimnis, sondern von einer Zeit, in der sie selbst nicht mehr da sein würde. Aber sie wollte nicht darüber reden. Der Tod gehörte so selbstverständlich zu dem Leben, das sie bisher geführt hatte, dass er kaum noch Schrecken für sie barg, aber das galt nicht für ihre Mutter. Sie würde ewig leben, das war für Arri vollkommen sicher.
    »Aber du.«, begann sie, wurde aber sofort wieder mit einem noch heftigeren Kopfschütteln ihrer Mutter unterbrochen.
    »Irgendwann wirst du selbst Kinder haben«, sagte Lea. »Eines davon wird eine Tochter sein, und ihr wirst du dein Wissen weitergeben, nur ihr und sonst niemandem. So ist es immer gewesen, und so wird es auch weiter sein.«
    »Aber warum sagen wir es nicht einfach allen?«, murmelte Arri. »Wenn das, was Nor und die anderen tun, nur eine Lüge ist, warum erzählen wir es dann nicht allen? Und warum sagen wir ihnen nicht die Wahrheit? Dann hätten sie keinen Grund mehr, dich zu fürchten.«
    Lea lächelte, als hätte sie einen dummen, aber verzeihlichen Fehler begangen. »O Arri, glaubst du, du wärest die Erste, die auf diesen Gedanken gekommen ist?« Sie schüttelte den Kopf. »Es ist unmöglich.«
    »Warum?«
    »Weil es die Ordnung der Dinge durcheinander bringen würde«, antwortete Lea, womit Arri nicht wirklich etwas anfangen konnte.
    »Die Menschen brauchen Führer. Sie brauchen jemanden, der ihnen sagt, was sie tun sollen und wann, und was sie nicht tun sollen. Vielleicht wird irgendwann einmal eine Zeit kommen, in der das anders ist, aber heute und jetzt würde es unermesslichen Schaden anrichten, diese alte Ordnung zu zerstören. Das Ergebnis wären Krieg und Leid. Glaub mir. Ich habe es gesehen.«
    »Warum bekämpfen wir Nor und die anderen dann?«, wunderte sich Arri.
    »Wir bekämpfen ihn nicht«, erwiderte Lea

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