Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
aber wenn sie daran dachte, was sie gestern und heute Mittag gegessen hatte, verspürte sie eigentlich keine große Lust auf eine weitere, so wenig schmackhafte Mahlzeit.
    Trotz der satten Zeiten, die das Dorf gerade erlebte, war sie es gewohnt, hin und wieder zu hungern, und ihre Mutter hatte ja selbst gesagt, dass sie nicht viel mehr als zwei Tage brauchen würden, um ihr Ziel zu erreichen. Was machte da schon eine Nacht mit leerem Magen, wenn sie am nächsten Tag am Ziel waren und die festliche Mahlzeit auf sie wartete, die die Gastfreundschaft vorschrieb, wenn Freunde zu Besuch kamen? Sie schlief auch in dieser Nacht mit dem festen Vorsatz ein, ihrer Mutter gleich am nächsten Morgen von ihrer Begegnung mit Dragosz zu erzählen, doch als ihre Mutter sie weckte, war sie noch viel zu benommen und schlaftrunken, um auch nur einen Laut hervorzubringen.
    »Still!«, zischte Lea. »Da ist jemand.«
    »Ich weiß«, nuschelte Arri schlaftrunken. Natürlich war da jemand. Dragosz hatte ihr ja versichert, die ganze Zeit in ihrer Nähe zu bleiben, um auf sie Acht zu geben, und vermutlich war er nun in seinem Bestreben, sie und ihre Mutter nicht noch einmal aus den Augen zu verlieren, unvorsichtig geworden oder hatte die Schärfe von Leas Sinnen einfach unterschätzt. »Es ist.«
    »Still!«, unterbrach sie ihre Mutter erneut und in noch schärferem Ton. »Keinen Laut!«
    Mit den umständlichen Bewegungen eines Menschen, der viel zu schnell aus einem tiefen Schlaf gerissen worden ist, setzte sich Arri vollends auf. Umständlich, aber alles andere als vorsichtig, sodass der ganze Wagen zu schaukeln anfing und die hölzerne Konstruktion ein hörbares Knarren und Quietschen von sich gab - was ihr einen weiteren, ärgerlichen Blick ihrer Mutter einbrachte. Sie setzte noch einmal dazu an, ihrer Mutter zu erklären, wer es war, dessen Nähe sie bemerkt hatte, aber Leas Blick ließ sie sich anders besinnen. Mochte ihre Mutter doch ihr Schwert nehmen und losschleichen. Sie würde eine Überraschung erleben. Und dasselbe galt vermutlich nicht minder für Dragosz. Und was Arri anging: Sie gönnte es ihnen beiden.
    Mit einem stummen Achselzucken setzte sie sich endgültig auf, fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht und unterdrückte ein Gähnen, während sie müde in den Himmel hinauf und nach Osten blinzelte. Sie konnte die Berge als gezackte Schattenlinie vor einem dunstigen Streifen aus fast schwarzem Grau erkennen. Bis zum Sonnenaufgang war es noch eine geraume Weile hin, anscheinend, dachte sie resignierend, war es allmählich ihr Schicksal, in keiner Nacht mehr ausreichend Schlaf zu bekommen.
    »Bleib, wo du bist«, beschied ihre Mutter, während sie sich bereits erhob und nahezu lautlos von der Ladefläche des Wagens herunterglitt. Arri hatte nicht vorgehabt, irgendetwas anderes zu tun, und so hob sie nur abermals die Schultern und gähnte hinter vorgehaltener Hand. Anders als ihre Mutter wusste sie sowohl, was sie gehört hatte, als auch, dass ihnen nicht die mindeste Gefahr drohte, sodass sie ganz ernsthaft erwog, sich auszustrecken und weiter zu schlafen. Wenn ihre Mutter Dragosz tatsächlich traf, dann war es ganz und gar nicht sicher, dass sie so schnell zurückkam.
    Aber sie war nun einmal wach, und obwohl sie so müde war, als hätte sie die ganze Nacht kein Auge zugetan, spürte sie zugleich auch, dass sie jetzt keinen Schlaf mehr finden würde. Also beschloss sie, sich in Geduld zu fassen, und vertrieb sich die Zeit damit, sich alle möglichen lustigen oder auch peinlichen Situationen vorzustellen, in die ihre Mutter und Dragosz kommen mochten, wenn sie sich unversehens gegenübersahen.
    Ganz am Rande ihres Bewusstseins tauchte plötzlich ein anderer, hässlicher Gedanke auf: Was, wenn ihre Mutter oder Dragosz falsch reagierten und der eine den jeweils anderen in der Dunkelheit für einen Angreifer hielt? Was das anging, wusste sie wenig über Dragosz, dafür aber umso mehr, wozu ihre Mutter imstande war. Vielleicht war es ein Fehler gewesen, ihrer Mutter nicht zu sagen, auf wen sie treffen würde. Arri beruhigte sich mit dem Gedanken, dass Lea eine kluge Frau war. Und auch Dragosz hatte nicht den Eindruck erweckt, dass er ein Dummkopf wäre.
    Sie musste länger warten, als sie gehofft, aber nicht annähernd so lange, wie sie befürchtet hatte, bis sie die Schritte ihrer Mutter hörte, und sie spürte schon, dass irgendetwas nicht in Ordnung war, bevor sie sie sah. Das näher kommende Geräusch verriet ihr, dass

Weitere Kostenlose Bücher