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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sie um eine Ecke, und endlich konnte sie wieder sehen und nicht nur hören und tasten.
    Der Anblick, der sich ihr bot, als sie hinter ihrer Mutter durch die Tür trat, war überraschend. Nach dem massiven Eingangsbereich, der schmalen Stiege und der fast leeren Kammer, in die Targan sie geführt hatte, hatte sie einen weiteren, kleinen und finsteren Raum erwartet, der wehrhaft und eng wirkte. Doch zumindest was die Enge anging, befand sie sich im Irrtum. Vor ihnen erstreckte sich ein Raum, der sich über einen gut Teil des gesamten Gebäudes erstrecken musste, denn in der Wand zu ihrer Linken gewahrte sie die allermeisten der Fenster, deren Lichtschein sie hierher geführt hatte, und er wirkte eng, war es aber nicht wirklich. Dieser Eindruck kam eher zustande, weil er trotz seiner erstaunlichen Größe hoffnungslos überfüllt war. Es gab gleich drei offene Feuerstellen, die nicht nur rotes Licht, sondern auch anheimelnde Wärme verbreiteten, und Arri gewahrte in der rauchgeschwängerten Luft auf Anhieb ein halbes Dutzend Lager, die so um diese Feuerstellen gruppiert waren, dass die darauf schlafenden Menschen möglichst viel Wärme abbekamen.
    Die Fenster an der gegenüberliegenden Wand sahen auf den ersten Blick ebenfalls geöffnet aus, doch dann erkannte Arri, dass sie sich getäuscht hatte. Sie waren mit straff gespannten Rinder- oder Schweineblasen verschlossen, sodass zwar Tageslicht durchschimmern, aber nicht übermäßig viel Wärme entweichen konnte. An der Wand erhob sich eine Konstruktion, die dem Vorratsregal ihrer Mutter ähnelte, aber ungleich größer und massiver war und so hoffnungslos voll gestopft mit allen möglichen Dingen, dass Arri erst gar nicht versuchte, sie allesamt zu erkennen. Vielleicht ein Dutzend Menschen hielten sich hier drinnen auf: Männer, Frauen und Kinder unterschiedlichen Alters, aber nahezu alle mit den gleichen schmutzigen Gesichtern und Händen. Sie sah (und vor allem roch sie sie!) auch Tiere, die ganz offensichtlich zusammen mit den Bewohnern dieses Hauses hier drinnen lebten - ein oder zwei Ziegen, ein Schwein, das in einer Ecke lag und ein halbes Dutzend Ferkel säugte, die die Menschen nach Einbruch der Dunkelheit wohl hereingeholt hatten, damit sie keinem Raubtier zum Opfer fielen oder einfach davonliefen.
    All die unterschiedlichen Bewohner dieses höchst sonderbaren Hauses schienen sie und ihre Mutter (vor allem aber sie) mit der gleichen, misstrauischen Neugier anzustarren. Über Targans Gesicht huschte ein flüchtiges Stirnrunzeln, als er sah, dass Lea nicht allein heruntergekommen war, doch er enthielt sich jeder Bemerkung, drehte sich nur um und bedeutete Lea mit einem ungeduldigen Wink, ihm zu folgen. Arri machte zwei rasche Schritte, um noch schneller zu ihrer Mutter aufzuschließen.
    »Was ist?«, fragte Lea.
    »Ich hatte gehofft, deine Hilfe nicht zu brauchen. Aber der Zustand eines unserer Gäste hat sich verschlechtert.« Targan wedelte weiter mit einer Hand herum, sodass es Arri fast wie eine zweite, lautlose Sprache vorkam, mit der er ihrer Mutter vielleicht etwas mitzuteilen versuchte, was er nicht laut aussprechen wollte, wies aber zugleich auch mit der anderen Hand auf einen Punkt fast am Ende des großen Raumes. Neugierige Blicke folgten ihnen, als sie darauf zusteuerten. Arri hätte sie gern erwidert, doch stattdessen eilte sie so dicht hinter ihrer Mutter her, dass sie Acht geben musste, ihr nicht in die Fersen zu treten, und hielt den Blick dabei fast furchtsam gesenkt. Hier drinnen herrschte eine sonderbare Stimmung; etwas, das sie nicht wirklich in Worte fassen, aber überdeutlich spüren konnte.
    Targan führte sie zum anderen Ende des Raumes und trat dann beiseite, um Lea Platz zu machen. Im allerersten Moment konnte Arri nicht viel erkennen, denn ihre Mutter und Targan versperrten ihr die Sicht, dann aber bemerkte sie drei Männer, die um eine mit sorgsam ausgesuchten, gleich großen Steinen eingefasste Feuerstelle saßen. Genauer gesagt, saßen zwei von ihnen. Der dritte lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken, aber er schlief nicht, und wenn doch, dann phantasierte er, denn er warf unentwegt den Kopf hin und her, und auch seine Hände bewegten sich unablässig, wobei seine schmutzigen Fingernägel scharrende Geräusche auf dem Boden aus hartem Holz verursachten.
    Wie auch die beiden anderen hatte er langes, verfilztes Haar und einen womöglich noch ungepflegteren Bart, und genau wie sie trug er einfache Schnürsandalen und einen Rock aus

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