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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hätte dir von ihm erzählt, aber noch nicht.«
    »Und warum nicht?«
    »Ich hatte meine Gründe«, erwiderte ihre Mutter. »Ich war.« Sie brach ab, schwieg einen Moment und setzte dann neu an. »Dragosz ist nicht der, für den du ihn hältst, Arianrhod. Ich war nicht sicher, ob es richtig ist, dass du ihn kennen lernst. Oder er dich.«
    »Aber er hatte mich doch schon gesehen«, erinnerte Arri. »Spätestens, als er mich vor dem Wolf gerettet hat.«
    »Aber da wusste er nicht, dass du meine Tochter bist«, antwortete Lea.
    Arri sagte zwar nichts dazu, sah ihre Mutter aber ungläubig an. Sie konnte doch unmöglich so naiv sein, tatsächlich zu glauben, dass Dragosz durch einen reinen Zufall ganz genau im richtigen Augenblick aufgetaucht war, um sie vor dem Wolf zu retten. Solche Zufälle gab es nicht. Er hatte sie beobachtet, und nicht erst seit diesem Tag.
    »Erzähl mir von ihm«, verlangte sie geradeheraus. Was nach den Maßstäben ihrer Mutter eine reine Unverschämtheit war.
    Dennoch antwortete Lea. »Ich weiß nicht viel über ihn. Nur das, was er mir erzählt hat.«
    »Und du glaubst ihm nicht.«
    Lea zögerte gerade einen Moment zu lange, um ihre Antwort glaubhaft klingen zu lassen. »Es spielt keine Rolle, ob ich ihm glaube oder nicht«, sagte sie, um fast im selben Atemzug zu sagen: »Selbstverständlich glaube ich ihm. Dragosz ist kein Mann, der lügen würde. Das hat er nicht nötig.«
    »Du liebst ihn?«, vermutete Arri.
    Ihre Mutter blickte sie stirnrunzelnd an, blieb aber immer noch ruhig. »Ich fürchte, auch das spielt keine Rolle. Dragosz ist.« Sie hob die Schultern. »Er ist ein aufrechter Mann, das ist vielleicht schon mehr, als ich erwarten durfte.«
    »Woher kommt er?«, fragte Arri. »Von hier?«
    Lea lächelte flüchtig. »Nein. Er kommt von weit her. Sein Volk kommt aus dem Osten.« Sie machte eine unbestimmte Geste. »Von jenseits der Berge.«
    Es dauerte eine kleine Weile, aber dann begriff Arri. »Das sind nicht die Männer, die.« Sie atmete hörbar ein. »Das sind nicht die Männer, die Grahl und seine Brüder angegriffen haben?«, setzte sie neu an.
    »Ich weiß nicht, wer wen angegriffen hat«, antwortete Lea. »Ich war nicht dabei.«
    »Also waren sie es«, sagte Arri. Diesmal wartete sie vergeblich auf eine Antwort.
    »Dann ist. alles andere auch wahr?«, fragte sie unsicher. »Was Grahl und die anderen behaupten?«
    »Dieser Unsinn? Dass sie einen Angriff planen und alle töten wollen?«, fragte Lea verächtlich. »Ja, das ist genau so überzeugend wie Sarns Behauptung, dass ich vor zehn Jahren ins Dorf gekommen bin, um es auszuspähen.« Sie lächelte wieder. »Nein. Sie planen keinen Angriff. Das wäre dumm. Warum sollten sie von so weit her kommen, nur um Krieg zu führen? Noch dazu einen Krieg, den sie nicht gewinnen können?«
    »Wieso nicht?«
    »Goseg ist viel zu stark«, antwortete Lea. »Selbst wenn Dragosz die Krieger besiegen könnte, wäre der Preis viel zu hoch.« Sie schüttelte noch einmal und vielleicht sogar eine Spur zu heftig den Kopf. »Und selbst wenn es nicht so wäre: Warum sollte Dragosz einen Krieg führen? Er hätte viel zu verlieren, aber kaum etwas zu gewinnen. Dieses Land ist groß. Es bietet mehr als genug Platz für eine weitere Sippe.«
    Das klang nicht besonders überzeugend, fand Arri. Nicht einmal so, als glaube ihre Mutter selbst daran. Auf welche Frage wollte sie eigentlich nicht antworten?, dachte sie. Auf die nach Dragosz' Sippe oder auf die nach Dragosz selbst?
    Als ob sie die Antwort nicht wüsste!
    Sie dachte an Dragosz und daran, wie sie ihn am Bach getroffen hatte. Sie war verwirrt. Prompt meldete sich auch ihr schlechtes Gewissen wieder, denn es war nun das zweite Mal, dass sie ihrer Mutter das Zusammentreffen mit Dragosz verschwieg, wobei sie selbst nicht sagen konnte, warum. Da war irgendetwas an Dragosz gewesen, das sie unendlich verstörte. Ihr Verstand, alles, was sie von ihrer Mutter gehört hatte, alles, was sie selbst erlebt und über diesen Mann in Erfahrung gebracht hatte, das alles schrie ihr zu, dass sie ihm nicht trauen durfte - aber da war zugleich noch eine andere Stimme in ihr, der all diese Gründe vollkommen gleichgültig waren. Etwas war zwischen Dragosz und ihr, das sie nicht in Worte fassen konnte, das aber immer stärker wurde. Erst jetzt, im Nachhinein, wurde ihr klar, dass seit ihrer letzten Begegnung mit diesem ungewöhnlichen Mann kein Augenblick vergangen war, in dem nicht ein Teil von ihr an ihn gedacht

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