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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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versuchte mit einer bewussten Anstrengung, nicht nur das Durcheinander hinter ihrer Stirn, sondern auch ihren Herzschlag einigermaßen zur Ruhe zu bringen - eines von beidem gelang ihr eindeutig nicht -, dann ließ sie sich wieder nach vorn sinken. Schwer stützte sie sich mit beiden Händen auf dem rauen Boden auf. Als sie die Augen wieder öffnete, schien es noch schlimmer zu werden. Die Wände stürzten aus allen Richtungen und zugleich auf sie ein, und für einen Moment bekam sie überhaupt keine Luft mehr.
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte Runa. Die Sorge in ihrer Stimme klang echt; was nichts daran änderte, dass Arri dies für die mit Abstand dümmste Frage hielt, die sie jemals gehört hatte.
    »Nein. Wo sind wir?«
    »In unserem Schacht«, zischte Runa. »Und bei allen Göttern: Sei ruhig.«
    Arri verstummte zwar, drehte sich aber halb um und maß den Schacht, aus dem Runa sie gerade herausgezerrt hatte, mit einem ebenso langen wie bezeichnenden Blick. Auch wenn der Stollen nicht ganz so eng war, wie ihre überreizten Nerven ihr weisgemacht hatten, so war er doch auf jeden Fall zu eng, als dass sich ihre breitschultrigen Angreifer selbst mit aller Gewalt durch dieses Loch quetschen konnten. Auch wenn Arri es dem Mädchen noch immer ein wenig übel nahm, sie durch dieses schreckliche Loch gezerrt zu haben, so waren sie doch zweifellos in Sicherheit.
    Runa schien das jedoch anders zu sehen. »Wir müssen still sein«, flüsterte sie gehetzt. »Es gibt einen zweiten Eingang. Wenn sie wissen, wo wir sind, ist es aus!«
    Arri maß sie mit einem zweifelnden Blick, beschloss dann aber zu schweigen und sah sich stattdessen in der halbrunden Höhle um, in der sie sich befanden. Auch hier verbreitete eine fast heruntergebrannte Fackel mehr Schatten als wirkliche Helligkeit, doch Arri konnte immerhin erkennen, dass sie sich in einem unregelmäßig verlaufenden, kaum brusthohen Gang aufhielten, in dessen Wänden sich zahlreiche Nischen und Vertiefungen befanden; manche nur flache Dellen, kaum tief genug, um eine Hand hineinzulegen, andere so tief, dass es sich vielleicht um weitere Stollen handelte, ähnlich dem, aus dem sie soeben gekommen waren. Im schwachen, flackernden Licht der Fackel konnte sie die Spuren von Meißeln und anderen Werkzeugen erkennen, und ganz plötzlich wurde ihr klar, wo sie war: an dem Ort, an dem Runas Familie das Erz aus dem Felsen brach.
    Arri verspürte ein kurzes, aber eisiges Frösteln, als sie sich vorzustellen versuchte, wie es sein musste, Morgen für Morgen hier hinabzusteigen, um sein Tagewerk zu verrichten. Der Stollen war so niedrig, dass man allerhöchstens auf den Knien arbeiten konnte, und hier und da wohl auch nur auf dem Bauch liegend, und es war vielleicht die schwerste aller nur vorstellbaren Arbeiten; ein Steinbruch tief unter der Erde, ohne Licht und fast ohne Luft.
    »Und wohin jetzt?«, fragte sie - wohlweislich im Flüsterton, wenn auch eher, um Runa zu beruhigen, und nicht weil sie glaubte, in direkter Gefahr zu schweben. Zwischen ihnen und ihren Verfolgern lagen mindestens zehn Schritte massiver Fels und ein Loch, das kaum groß genug war, um den Kopf hindurchzuschieben.
    Runa zögerte; sie wirkte so verwirrt, als wäre sie selbst nicht ganz sicher, wo sie überhaupt war - aber das war nur Arris allererster Eindruck. Dann wurde ihr klar, wie unrecht sie dem Mädchen tat. Runa war nicht verwirrt, sondern kämpfte mit aller Gewalt um ihre Beherrschung. Plötzlich regte sich Arris schlechtes Gewissen. Ganz gleich, ob Runa sie nun belogen hatte oder nicht, das Mädchen litt Todesangst, und das hatte sie ganz gewiss nicht gewollt. Irgendwie beherrschte sich Runa noch, aber in ihren Augen schimmerten Tränen, und sie hockte vermutlich nur so verkrampft da, damit Arri nicht sah, dass sie am ganzen Leib zitterte. »Und wie geht es weiter?«, flüsterte sie.
    Es verging ein Moment, bis Runa antwortete, und wieder tat sie es in diesem sonderbaren, gehetzten Ton, der Arri vielleicht mehr alarmierte als alles andere: als hätte Runa Mühe, sich darauf zu besinnen, wo sie überhaupt war. »Wir warten«, flüsterte sie. »Vielleicht. finden sie den Weg nicht. Sie kennen sich hier nicht aus.«
    Das hörte sich allerhöchstens nach etwas an, das sie fast verzweifelt glauben wollte, dachte Arri, aber nicht nach wirklicher Hoffnung. Was immer sie von den beiden Fremden hielt - sie hatten ihr nicht den Eindruck gemacht, dumm zu sein. Und schon gar nicht den, schnell aufzugeben. Dennoch

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