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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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fortzufahren, und als sie weitersprach, war in ihrer Stimme ein hörbares Zittern. »Sie sagen, dass deine Mutter zu den Fremden gehört, die über die Berge kommen und unser Land erobern wollen. Sie behaupten, ihr seid nur hier, um uns auszuspähen. Ist das wahr?«
    Das war ein solch haarsträubender Unsinn, dass Arri am liebsten laut aufgelacht hätte. Ausgerechnet ihre Mutter sollte den Untergang dieser Menschen planen? Sie schüttelte heftig den Kopf und setzte zu der scharfen Antwort an, die dieser unsinnige Gedanke zweifellos verdiente, aber dann konnte sie es plötzlich nicht. Ob sie es wollte oder nicht, sie musste wieder an ihre Mutter und Dragosz denken, an die geheimen Treffen im Wald und daran, wie wichtig es Dragosz gewesen war, dass niemand von seiner Anwesenheit erfuhr. Natürlich war das Unsinn. Ihre Mutter hatte praktisch ihr ganzes Leben der Aufgabe gewidmet, den Menschen hier zu helfen und ihr hartes Dasein wenigstens ein bisschen erträglicher zu machen. Allein der Verdacht war schon lächerlich. und doch: Jetzt, wo sie darüber nachdachte, erinnerte sie sich wieder, dass Lea ihr nicht auf alle ihre Fragen geantwortet hatte. Sie hatte das für Zufall gehalten, und möglicherweise war es das auch. Was, wenn Kron und seine Brüder die Wahrheit gesagt hatten, was ihr Zusammentreffen mit den Fremden anging? Aber das war einfach nur.
    Unsinn!
    Sie hatte mit ihrer Antwort gerade lange genug gezögert, um nicht mehr wirklich glaubwürdig zu klingen, das sah sie Runa trotz des schwachen Lichtes deutlich an. Das Mädchen sagte zwar nichts mehr, aber ihr Blick blieb wachsam. Irgendeinen Grund mussten die Fremden schließlich haben, um hierher zu kommen.
    »Und selbst wenn es so wäre? Warum sollten sie dann dich umbringen?«
    Sie selbst hätte nur einen Augenblick gebraucht, um diesen fadenscheinigen Einwand zu entkräften, aber Runa schien er zu überzeugen; wenigstens fürs Erste. Sie sah Arri noch einen Atemzug lang zweifelnd an, aber dann ließ sie es mit einem Schulterzucken gut sein und wandte sich um. »Ich habe mich noch gar nicht bei dir bedankt«, sagte sie, während sie gebückt weitergingen.
    »Bedankt?«
    »Du hast mir das Leben gerettet«, erklärte Runa. »Der Kerl hätte mich glatt erschlagen.«
    »Nicht der Rede wert«, antwortete Arri und rieb sich die schmerzenden Rippen. Bei all der Aufregung und Angst hatte sie den gemeinen Kniestoß, den der Krieger ihr versetzt hatte, fast vergessen, aber Runas Worte hatten sie nachhaltig wieder daran erinnert, dass mindestens eine ihrer Rippen angeknackst war, wenn nicht gebrochen.
    »Ich habe noch nie ein Mädchen gesehen, das so kämpft wie du«, fuhr Runa unbeeindruckt fort. »Du hast es dem Kerl ganz schön gezeigt. Hat deine Mutter dir das beigebracht?«
    »Was?«, fragte Arri miesepetrig. »Mich verprügeln zu lassen?«
    Runa schüttelte heftig den Kopf. Der Gang war mittlerweile so hoch geworden, dass sie es tun konnte, ohne Gefahr zu laufen, sich an der Decke den Schädel zu rammen. Vor ihnen war jetzt deutlich ein rotes Licht zu erkennen, das von oben kam, und Arri konnte sehen, dass die Decke hier mit schweren und sorgfältig verkeilten Balken abgestützt war. Sie war jetzt auch sicher, gedämpfte Geräusche zu hören: möglicherweise Stimmen, das gleichmäßige Zetern eines Säuglings, das sie früher an diesem Abend schon einmal gehört hatte. Hatte Runa nicht gesagt, dass einer dieser Stollen direkt im Haus endete? Ein Gefühl vorsichtiger Erleichterung breitete sich in ihr aus. Vielleicht würde ja doch noch alles gut werden. Wenn sie erst einmal im Haus waren, konnte ihnen nichts mehr passieren.
    »Zu kämpfen wie ein Mann«, antwortete Runa. »Man erzählt sich wahre Wunderdinge über sie, und ich habe auch noch nie eine Frau gesehen, die ein Schwert trägt, aber um ehrlich zu sein, habe ich nicht alles geglaubt, was ich gehört habe. Ich meine. eine Frau, die ein Schwert führt und wie ein Mann redet?«
    »Was ist daran ungewöhnlicher als an einem Kind, das auf dem Bauch durch die Erde kriecht und mit Hammer und Meißel Erz aus dem Felsen bricht?«, fragte Arri. »Jeder tut das, was er am besten kann.«
    Runa warf ihr einen verstörten Blick zu, der Arri klarmachte, dass sie mit dieser Antwort nicht wirklich etwas anfangen konnte, und ging dann schweigend vor ihr her. Sie hatten jetzt vielleicht noch ein Dutzend Schritte, dann war dieser Albtraum vorüber. In dem blassen Licht, das durch einen rechteckigen, anscheinend weit nach

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