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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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dir einlasse, suche ich mir lieber eine Kuh oder eine große Hündin.«
    Nor seufzte. »Jamu ist vielleicht der vertrauenswürdigste unter meinen Männern«, sagte er kopfschüttelnd, »aber manchmal hat er eine doch etwas derbe Art, sich auszudrücken.« Er schüttelte den Kopf und machte eine Geste, wie um diesen Umstand zu unterstreichen. »Dennoch bleibt es dabei, dass wir ganz offen vor ihm reden können. Er weiß fast so viel von den Zauberkräften deiner Mutter wie ich.«
    Arri konnte ihn nur anstarren. Sie war verwirrt und durcheinander, aber selbstverständlich hatte Nor genau das erreicht, was er mir seinen Worten auch hatte erreichen wollen: Sie fühlte sich von einer neuen, jähen Hoffnung erfüllt. Ihre Hände fingen an zu zittern. »Ihren. Zauberkräften?«
    Nor reagierte nicht sofort, sondern hob die Hand, fuhr sich mit Zeige- und Mittelfinger über die Wange und betrachtete anschließend das Gemisch aus grauem Staub und winzigen Hautfetzen, das auf seinen Fingerspitzen zurückgeblieben war. »Sind es denn Zauberkräfte?«, fragte er lauernd.
    Arri begriff, wie viel von ihrer Antwort auf diese so harmlos klingende Frage abhängen mochte. Sie machte eine Bewegung, die ebenso gut ein Achselzucken wie auch ein Kopfschütteln sein konnte. »Vielleicht«, antwortete sie ausweichend. »Für die einen mögen es Zauberkräfte sein.«
    »Für die anderen aber ist es nur ein Öl, das hell und hoch brennt, sich aber so schnell selbst verzehrt, dass es einen nicht verletzt, wenn man damit umzugehen weiß«, fügte Nor hinzu. »Wolltest du das sagen?«
    Arri war klug genug, gar nicht darauf zu antworten. Wozu auch? Nor kannte die Antwort ja offensichtlich, auch wenn er, genauso offensichtlich, nicht annähernd so gut darin war, dieses geheimnisvolle Öl zusammenzumischen, wie es eigentlich angeraten schien.
    »Du siehst, mein Kind, wir sind ganz ehrlich zu dir.« Nor wischte sich die Hand am Mantel ab und sah sie nun wieder direkt an. »Die Frage ist nun, wie ehrlich du zu uns bist?«
    Das verstand Arri nicht, und sie sagte es.
    »Ich hätte dich töten lassen können«, sagte Nor. »Ich hätte dich töten lassen müssen. Wäre mir klar gewesen, wie ernst Sarn es damit meint, meine Stelle hier in Goseg einnehmen zu wollen, dann hätte ich es vielleicht getan. Die Menschen dort draußen schreien nach deinem Blut, ist dir das klar?«
    Arri nickte. Das Hochgefühl, das sie zuvor ergriffen hatte, schwand.
    »Ich habe mich trotzdem entschieden, dich am Leben zu lassen«, fuhr der Hohepriester fort. »Trotz allem, was deine Mutter getan hat. Du weißt, warum?«
    »Nein«, sagte Arri wahrheitsgemäß. Nor wirkte verstimmt. Er tauschte einen raschen, für Arri nicht zu deutenden Blick mit Jamu und beugte sich dann in seinem Stuhl wieder vor. Arri war nicht ganz sicher, ob sie das geflochtene Möbelstück ächzen hörte oder seine alten Knochen. Als er weitersprach, waren ein gut Teil der Wärme und jeglicher Spott aus seinem Blick und seiner Stimme gewichen.
    »Begeh nicht den Fehler, dich zu überschätzen«, sagte er, »oder mich für schwächer zu halten, als ich bin. Es hat nichts mit dir zu tun.«
    »Womit dann?«, fragte Arri. Sie war der Verzweiflung nahe. Für einen kleinen Moment hatte sie Hoffnung geschöpft, aber nun kehrten Angst und Panik zurück, und es war fast schlimmer als vorher.
    »Vielleicht hast du mir heute Morgen nicht gut genug zugehört«, sagte der Hohepriester. »Ich bin für das Schicksal zu vieler Menschen verantwortlich, als dass ich es mir leisten könnte, Rücksicht zu nehmen.« Er schien auf eine ganz bestimmte Reaktion auf seine Worte zu warten, und als er sie nicht bekam und Arri ihn nur immer verwirrter anstarrte, nahm der Ausdruck von Unmut auf seinen Zügen noch weiter zu.
    »Es ist wahr. Deine Mutter hat Unruhe in unser Land gebracht. Sie hat die Götter erzürnt, von Männern wie Sarn und so vielen, die denken wie er, gar nicht zu reden. Aber sie hat auch große Gaben mitgebracht, die viele Leben gerettet und unserem Volk ein Leben in Wohlstand und Ruhe beschert haben. Vielleicht war es ein Fehler, sie anzunehmen, und wenn, dann werde ich die Verantwortung dafür tragen, wenn ich irgendwann vor den Göttern stehe und Rechenschaft ablegen muss. Aber wir haben es getan, und die Menschen hier haben sich daran gewöhnt. Sie brauchen sie.«
    »Und was habe. was habe ich damit zu tun?«, murmelte Arri. Sie sah Nor an, dass es ihm plötzlich schwer fiel, sich zu beherrschen. Vielleicht

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