Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
mit der rechten Achks Ellbogen und schob den Blinden unsanft vor sich her in Richtung des Waldrandes.
    Ihre Mutter kam bereits zurück, die beiden Pferde neben sich am Zügel führend, während Dragosz nur ein paar Schritte entfernt dastand und mit beiden Armen in Richtung des bewaldeten Hügelkammes gestikulierte, als Arianrhod und die drei anderen auf der anderen Seite aus dem Wald heraustraten. Sie sah einen Moment lang konzentriert in die angegebene Richtung, konnte aber dort oben rein gar nichts erkennen; vielleicht gab Dragosz jemanden ein Zeichen, den er dort oben postiert hatte.
    »Wo kann nur Morgenwind sein?«, empfing Arianrhod ihre Mutter und sah sich suchend um. Von der gescheckten Stute war keine Spur zu sehen.
    »Sie ist irgendwo in der Nähe, keine Sorge«, antwortete Lea unwillig. »Sie wird uns schon finden.« Sie ließ Sturmwinds Zügel los und machte eine abwehrende Bewegung mit der frei gewordenen Hand, als Arianrhod die Arme ausstreckte, um auf Nachtwinds Rücken zu klettern. »Nicht jetzt.«
    »Warum nicht?«, fragte Arianrhod.
    »Weil wir laufen«, erwiderte Lea. »Zumindest so lange, wie es geht.«
    Arianrhod setzte zu einem Einwand an, aber dann gewahrte sie das zornige Funkeln in den Augen ihrer Mutter und begriff nur einen Augenblick später den Sinn ihrer Worte. Noch einen Augenblick später hatte sie ein ziemlich schlechtes Gewissen. Sie selbst hatte Rahn noch eben einen kleinen Vortrag über Gerechtigkeit gehalten, aber die Vorstellung, dass sie bequem auf Nachtwinds Rücken sitzen sollte, während die drei anderen zu Fuß unterwegs waren und sich noch dazu mit ihrem Gepäck abplagten, hatte wahrhaftig nicht viel mit Gerechtigkeit zu tun.
    Sie warf einen scheuen Blick zu Rahn und dem Blinden zurück, wie um sich davon zu überzeugen, dass er auch nichts mitbekommen hatte, aber Rahn sah nicht einmal in ihre Richtung. Er war stehen geblieben und damit beschäftigt, mit spitzen Fingern einen langen, dornigen Zweig aus Achks Bart zu zupfen, der sich darin verfangen hatte. Der blinde Schmied sah hilfloser aus denn je. Seine Augen waren weit aufgerissen, und er blinzelte nicht, was seinem Blick etwas ungemein Erschreckendes verlieh, aber er hatte ganz eindeutig verstanden, worum es ging. Seine Angst war unübersehbar.
    Seltsam, dachte Arianrhod. Seit jenem schrecklichen Tag, an dem Achk seine Augen verloren hatte, hatte sie mehr als einmal versucht, sich vorzustellen, wie es sein musste, in einer Welt ewiger Dunkelheit gefangen zu sein, selbst bei den einfachsten Dingen des Lebens auf die Hilfe anderer angewiesen und noch dazu von den allermeisten verspottet und verachtet oder doch bestenfalls gemieden zu werden, und sie war jedes Mal zu demselben Schluss gekommen: nämlich dem, dass sie ein solches Leben auf gar keinen Fall würde leben wollen. Nun aber war Achk mehr als deutlich anzusehen, wie sehr er um genau dieses Leben fürchtete.
    »Worauf warten wir noch?«, fragte Dragosz. »Wir müssen los.«
    Arianrhod war nicht ganz sicher, wem diese Worte galten - ihr oder Rahn und dem Blinden. Rahn jedenfalls führte seine Arbeit in aller Ruhe und mit großer Sorgfalt zu Ende, bevor er das Bündel über seine linke Schulter warf und Achk mit der anderen Hand wieder am Ellbogen ergriff. »Geh einfach«, sagte er. »Ich passe schon auf, wohin du trittst.«
    Dragosz verzog verächtlich die Lippen, und zumindest für diesen Augenblick büßte er eine Menge der Zuneigung ein, die Arianrhod für ihn empfand; wenn nicht alle. Vielleicht hatte Rahn ja Recht. Vielleicht hätte er an Dragosz' Stelle nicht anders entschieden. Vielleicht hätte sogar sie selbst an seiner Stelle nicht anders entschieden, hätte sie ein Leben wie er geführt und wäre für so viele andere verantwortlich gewesen. In diesem Moment jedoch verachtete sie Dragosz für das, was sie in seinem Gesicht las. Der blinde Mann war für ihn kein Mensch mehr, sondern nur noch eine Last.
    Sie gingen los. Obwohl Kron mit Abstand die schwerste Last trug, setzte er sich nicht nur an die Spitze, sondern eilte ihnen auch bald in größer werdendem Abstand voraus. Lea hatte die beiden Pferde losgelassen, die ihr jedoch in wenigen Schritten Abstand folgten, während Rahn und der Blinde nur ganz allmählich, aber doch unaufhörlich zurückfielen. Rahn versuchte alles, um Achk anzutreiben, aber der Schmied war nicht nur blind, sodass er trotz seiner Führung vorsichtig immer nur einen Fuß vor den anderen setzte und dennoch mehr als einen Fehltritt

Weitere Kostenlose Bücher