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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Brüder gewildert haben.«
    »Und warum dann das alles hier?«, fragte Arri.
    »Weil Nor nicht mehr zurück kann und mich zu einer Entscheidung zwingen muss, wenn er nicht vor seinen Priestern das Gesicht verlieren will. Selbst wenn wir es bis zum Frühling herauszögern können: Irgendwann müssen wir hier weg.«
    »Und du glaubst, wir werden wie Männer kämpfen müssen, dort, wo wir hingehen?«, fragte Arri besorgt.
    »Als ich damals hierher kam, musste ich es«, antwortete ihre Mutter ernst. »Ich hoffe, du wirst nichts von alledem brauchen, was ich dir beibringen werde, aber.«
    Sie brach abermals mitten im Wort ab, legte den Kopf auf die Seite und lauschte einen Moment lang mit halb geschlossenen Augen. Arri wollte eine Frage stellen, doch Lea hob rasch und erschrocken die Hand und gebot ihr zu schweigen. Ein konzentrierter, aber auch leicht erschrockener Ausdruck lag plötzlich auf ihren Zügen. Für eine kleine Ewigkeit, wie es schien, stand sie vollkommen reglos da, atmete nicht einmal, und drehte sich schließlich einmal um sich selbst. Der Anteil an Sorge in ihrer Miene schien größer geworden zu sein, als sie sich wieder zu ihrer Tochter umwandte.
    »Was hast du?«, fragte Arri beunruhigt.
    »Nichts«, antwortete ihre Mutter. »Ich dachte, ich hätte etwas gehört, aber ich muss mich wohl getäuscht haben. Vielleicht ein Tier«, fügte sie mit wenig überzeugend gespielter Leichtigkeit hinzu.
    Bei dem Tier, dachte Arri, das ihrer Mutter solch unübersehbare Angst machte, musste es sich um einen ausgewachsenen Bären handeln oder um ein Rudel Wölfe. Plötzlich begann auch ihr Herz schneller zu schlagen. Hatte ihre Mutter sie nicht erst vor ein paar Tagen vor Wölfen gewarnt, die sich angeblich genau in dieser Gegend herumtreiben sollten?
    Beinahe als hätte sie ihre Gedanken gelesen und versuchte sie nun mit aller Macht zu beruhigen, machte ihre Mutter eine besänftigende Geste und deutete mit der anderen Hand in die Richtung, aus der sie gekommen waren. »Ich glaube, du hast deine Lektion für heute gelernt«, sagte sie lächelnd. »Morgen zeige ich dir, wie man auch Spuren findet, die der andere nicht absichtlich hinterlassen hat, aber jetzt sollten wir zurückgehen.«
    Ihr Versuch war gut gemeint, bewirkte aber eher das Gegenteil. Sie war voll innerer Unruhe, und sie hatte sich nicht gut genug in der Gewalt, dass Arri es nicht gemerkt hätte. Was immer sie gehört hatte, es musste sie überaus beunruhigen. Arri sagte jedoch nichts dazu, sondern drehte sich gehorsam um und ging los, und sie tat auch so, als falle ihr nicht auf, dass ihre Mutter ein paar Mal fast unmerklich stockte und sich immer wieder hastig umsah, während sie sich dem Waldrand näherten. Auch sie lauschte konzentriert, doch alles, was sie hörte, war das Geräusch des Windes, der in den Baumkronen über ihren Köpfen spielte, und das Schlagen ihres eigenen Herzens, das so wild wie ein Trommelwirbel klang.
    Erst als sie den Waldrand erreicht hatten und auf die Lichtung heraustraten, wurde ihr klar, dass sie tatsächlich den Klang einer Trommel hörte. Der Wind hatte sich gedreht und trug nun das Trommeln vom Dorf heran, und sie glaubte darunter den monotonen Singsang zu hören, den die Sippe auf Sarns Befehl hin angestimmt hatte, um Mardan und die anderen Götter gnädig zu stimmen. Mitten im Schritt blieb sie stehen und wandte den Kopf, um in das Gesicht ihrer Mutter hinaufzusehen, und sie war nicht besonders überrascht, als sie ihr ärgerliches Stirnrunzeln bemerkte. »Sie beten noch immer«, sagte sie.
    »Ja«, antwortete Lea. »Und das Schöne ist, dass die Götter am Ende immer Recht behalten, weißt du? Wenn Kron stirbt, dann hat er sich ihrer Gnade als nicht würdig erwiesen, und wenn er es übersteht, dann haben sie ein Wunder bewirkt und ihm das Leben geschenkt.« Ihre Stimme war ganz leise, aber so voller Verachtung, dass Arri schon wieder ein kaltes Frösteln verspürte, das ihr über den Rücken lief.
    »Warum hasst du ihre Götter so?«, fragte sie.
    »Ihre Götter?«, wiederholte Lea mit einem sonderbaren, bitteren Lächeln. »O nein, du irrst dich. Ich hasse sie nicht. Es gibt keine Götter, weißt du? Weder hier noch sonst wo auf der Welt. Sollte es sie geben, dann wäre es besser für sie, sie gingen mir aus dem Weg.«
    Ganz gewiss, dachte Arri, meinte ihre Mutter das nicht so. Sie selbst glaubte nicht an Nors oder Sarns Götter - und wie auch? -, und trotzdem war ihr klar, dass es Götter geben musste. Die Welt mit

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