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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nach wie vor vollkommen schien. Das unheimliche Schweigen schien sogar noch zugenommen zu haben, seit sie die Lichtung verlassen hatten; als hätte der seit drei Tagen anhaltende Trommelschlag über dem Dorf alle anderen Geräusche vertrieben.
    Es vergingen noch einige weitere, endlose Augenblicke, dann drang ein leises Klimpern an Arris Ohr, und unter der Stiege ihrer Hütte erschien ein Schatten, der vorsichtig mit dem Fuß nach der obersten Stufe tastete und mit beiden Händen nach sicherem Halt an der darüber liegenden Wand suchte, bevor er sich aufrichtete. Rahn?, dachte Arri überrascht. Es war zu dunkel, um selbst auf die geringe Entfernung das Gesicht der Gestalt zu erkennen, doch es gab nur einen Mann seiner Statur im Dorf.
    »Was tust du da?«, schnitt Leas Stimme scharf durch die Dunkelheit.
    Der junge Fischer fuhr so erschrocken zusammen, dass er auf dem schmalen halbierten Baumstamm um ein Haar das Gleichgewicht verloren und die Stiege heruntergestürzt wäre; er fing sich dann aber im letzten Moment wieder, bevor er Arri diesen Gefallen tun konnte, und aus der anderen Richtung sagte eine dünne, aber scharfe Stimme: »Rahn hat mich hierher begleitet. Es war mein Wunsch.«
    Lea drehte betont langsam den Kopf und sah der zweiten, deutlich kleineren und gebückt gehenden Gestalt entgegen, die nun aus dem Schatten des Hauses auf sie zukam. Es war Sarn. Er musste vollkommen lautlos und womöglich sogar mit angehaltenem Atem dort in der Dunkelheit gestanden und sie belauert haben.
    »Und warum geht ihr in mein Haus, wenn ich nicht da bin, und ohne meine Erlaubnis?«, fragte Lea kühl.
    Der Stammesälteste kam mit langsamen Schritten näher. Die Kette aus Muschelschalen und Tierzähnen, die er um den Hals trug, klimperte leise im Takt seiner schleppenden Schritte. »Eure Stiege ist steil und gefährlich. Und ich bin ein alter Mann und habe keine Lust, mir den Hals zu brechen.«
    Arri spürte, dass ihre Mutter in diesem Moment dafür umso mehr Lust hatte, ihm diese Mühe abzunehmen, aber sie beherrschte sich mit bewunderungswürdiger Kraft und deutete nur eine Kopfbewegung an, die Sarn als zustimmendes Nicken deuten konnte, wenn ihm danach war - oder auch als alles andere. Sie machte einen halben Schritt zur Seite und zurück, sodass sie wie zufällig genau zwischen ihr und dem hünenhaften Fischer stand, der sich mit ungelenken Bewegungen mittlerweile die Stiege heruntergearbeitet hatte, und wollte dann etwas zu Sarn sagen, doch der alte Schamane kam ihr zuvor.
    »Wo wart ihr, mitten in der Nacht?«, fragte er.
    Die Blicke, mit denen Lea ihn bisher gemustert hatte, waren ohnehin schon nicht besonders freundlich gewesen, jetzt aber verdüsterte sich ihr Gesicht noch mehr. Wer glaubte Sarn zu sein, ihr eine solche Frage stellen zu dürfen, und noch dazu in diesem Ton? Umso erstaunter war Arri, als ihre Mutter sie beantwortete. »Arri und ich waren im Wald. Kräuter sammeln.«
    »Kräuter?« Sarns Blick glitt betont langsam an Leas Gestalt entlang und verharrte dabei einen ganz kurzen, aber bezeichnenden Moment auf ihren leeren Händen. »Nachts?«
    »Es gibt Kräuter, die man nur im Mondlicht pflücken sollte. So wie du auch manche Pilze nur nachts sammelst.«
    »Aber ihr wart nicht erfolgreich?«
    »Wie gesagt«, wiederholte Lea, »sie sind schwer zu finden.« Sie machte eine unwillige Handbewegung. »Was willst du hier? Es ist spät, und ich bin müde. Meine Tochter und ich würden gern noch ein wenig schlafen, bevor die Sonne aufgeht.«
    »Kron verlangt nach dir«, antwortete Sarn.
    »Kron?« Es gelang Lea nicht völlig, ihre Überraschung zu verbergen, und auch Arri riss ungläubig die Augen auf und starrte den greisen Schamanen an. Nachdem die Trommeln verstummt waren, hatte auch sie ganz selbstverständlich angenommen, dass das nur eines bedeuten konnte. »Er lebt?«
    »Unsere Gebete und Opfer wurden erhört«, antwortete Sarn. »Er lebt, und er will mit dir reden. Ich weiß nicht, warum. Aber er verlangt unentwegt nach dir.«
    Eine Spur von Misstrauen erschien in Leas Blick. »Warum?«
    »Warum fragst du ihn das nicht selbst?«, mischte sich Rahn ein.
    »Nach allem, was du ihm angetan hast, wärst du ihm das vielleicht schuldig.«
    Seine Worte empörten Arri, aber ihre Mutter machte sich nicht einmal die Mühe, den Fischer anzusehen. Ihr Blick blieb unverwandt auf Sarn gerichtet, der seinerseits sie anstarrte, und das auf eine Art, die Arri immer weniger gefiel. Rahn und er waren nicht nur hierher

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