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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sprang so ungestüm durch den Eingang, dass sie sich um ein Haar in den Muschelvorhang verheddert hätte und alle Mühe aufbieten musste, um nicht zu stürzen.
    Ihre Mutter war nicht da. Die Hütte war leer, und Arri war nur im allerersten Moment enttäuscht, dann aber eindeutig beunruhigt. Seit dem letzten Zusammenstoß mit Sarn verließ ihre Mutter ihr Zuhause so gut wie gar nicht mehr - zumindest nicht tagsüber - und erst recht nicht, ohne ihr vorher Bescheid zu geben; so, wie sie umgekehrt auch Arri eingeschärft hatte, nirgendwo allein hinzugehen, wenn sie nichts davon wusste. Aus ihrem Hochgefühl wurde schlagartig eine vollkommen übertriebene Sorge. War irgendetwas geschehen?
    Arri warf einen flüchtigen Blick in den zweiten Raum - immerhin wäre es ja möglich gewesen, dass ihre Mutter dort war, um ein neues Heilmittel für Kron zusammenzumischen -, dann verließ sie die Hütte fast ebenso rasch wieder, wie sie hereingekommen war, und sah sich hilflos um. Plötzlich hatte sie Angst, und sie konnte nicht einmal genau sagen, warum oder gar wovor. Sie versuchte vergeblich, sich selbst einzureden, dass sie sich albern benahm; schließlich war sie kein kleines Kind mehr, dem man es nachsehen konnte, dass es vor Angst zu weinen anfing, wenn es im Dunkeln aufwachte und seine Mutter nicht gleich sah. Lea war vielleicht nur in den Wald gegangen, um ein paar Kräuter zu suchen, oder hinauf ins Dorf, um Eier oder Fleisch einzutauschen. Zweifellos würde sie binnen kurzem wieder hier sein; wenn es sich anders verhielte, so hätte sie ihr gewiss Bescheid gesagt, bevor sie sie zu Kron schickte.
    Diese Gedanken mochten treffend und richtig sein, aber sie halfen nicht. Ganz im Gegenteil begann Arris Herz immer heftiger zu klopfen, und ihre Furcht nahm noch zu. Sie fühlte sich verloren und so einsam und hilflos, als wäre sie mitten in der Nacht allein im Wald ausgesetzt worden. Dieses Gefühl war durch und durch albern und geradezu kindisch, aber auch dieser Gedanke half nicht. Aus ihrer Furcht drohte ganz im Gegenteil Panik zu werden - und wäre es vielleicht auch geworden, hätte sie sich nicht in diesem Moment umgedreht und ihre Mutter gesehen, die soeben gebückt und mit sehr schnellen Schritten aus der Hütte des Blinden kam.
    Arri verschwendete nicht einmal einen einzigen Gedanken an die Frage, was ihre Mutter ausgerechnet dort tat, sondern rannte los und konnte sich gerade noch beherrschen, ihre Mutter nicht erleichtert in die Arme zu schließen, als sie endlich bei ihr angelangte.
    »Arri?«, murmelte ihre Mutter überrascht. »Ist etwas passiert?« Sie wirkte verwirrt und auch ein ganz kleines bisschen beunruhigt. Arris aufgewühlter Zustand war ihr nicht entgangen.
    »Kron«, sagte sie.
    »Kron?«, wiederholte ihre Mutter. Eine steile Falte erschien zwischen ihren Augen. »Was ist mit ihm?«
    »Er ist. aufgewacht«, antwortete Arri stockend.
    »Und was ist daran so Besonderes?«, wollte ihre Mutter wissen. »Bisher ist er doch eigentlich jeden Morgen aufgewacht, oder?«
    Arri zog es vor, nicht weiter auf den spöttischen Unterton in der Stimme ihrer Mutter zu achten. Sie schüttelte heftig den Kopf. »Das meine ich nicht. Er ist aufgestanden. Aus eigener Kraft.«
    »Und das ist auch wirklich alles?«, vergewisserte sich ihre Mutter. Arri sah ihr an, dass sie sich Mühe gab, nicht zornig zu klingen.
    »Er wird wieder gesund«, antwortete sie. »Er ist ganz von allein aufgestanden und ein paar Schritte weit gelaufen!«
    »Das sind gute Neuigkeiten«, sagte ihre Mutter, behielt sie aber weiter aufmerksam im Auge und fügte schließlich mit einem angedeuteten, spöttischen Lächeln hinzu: »Aber so richtig bei Kräften ist er anscheinend noch nicht. Sonst wäre er zweifellos längst hier aufgetaucht, um mir den Hals umzudrehen.«
    »Bei mir hat er es jedenfalls schon mal versucht«, sagte Arri. »Aber ich war schneller als er.«
    »Dann wollen wir hoffen, dass das auch noch eine Weile so bleibt«, sagte ihre Mutter lachend. »Schließlich brauche ich dich noch. So lange Kron seinen Zorn an dir auslässt, kommt er wenigstens nicht hierher.«
    Arri tat ihrer Mutter den Gefallen, über diese Worte zu lachen, aber sie verspürte trotzdem eine leise Enttäuschung. Sie hatte erwartet, dass sie sich mehr über Krons Genesung freuen würde, zumal sie ja einen ungleich größeren Anteil daran hatte als Arri. Sie zerbrach sich den Kopf über eine Antwort, die ihre Mutter nicht verärgern oder gar wütend machen würde, doch

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