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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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furchtbarste Sturm, nicht der bitterste Winter und nicht das schrecklichste Raubtier, so hatte sie immer geglaubt, konnte diesen drei Männern etwas anhaben; wahrscheinlich noch nicht einmal ein Höhlenbär.
    Nun war einer von ihnen tot und würde nie wiederkommen, der andere ein Krüppel, der nur durch das Wissen ihrer Mutter und die Gnade des Schicksals überhaupt noch lebte, und der Dritte, auch wenn er sich alle Mühe gab, sich nichts von seinen wahren Gefühlen anmerken zu lassen, ein gebrochener Mann, in dessen Augen eine Angst Einkehr gehalten hatte, die nie wieder daraus verschwinden würde. Arri fühlte sich verwundbar und hilflos, wenn sie in der Hütte des Jägers war. Was immer diesen drei Männern wirklich zugestoßen sein mochte - wie konnte irgendjemand hier im Dorf glauben, einer Gefahr Herr zu werden, mit der nicht einmal Grahl und seine Brüder fertig geworden waren?
    Aber zugleich geschah noch etwas anderes, dass ihr am Anfang nicht einmal klar war. Ihr Widerwille, die vereiterten, übel riechenden Verbände zu lösen und Krons Wunde zu säubern, wurde keinen Deut schwächer. Ganz im Gegenteil schien er immer noch zuzunehmen, fast so als gäbe es Dinge, an die man sich nicht gewöhnen konnte, sondern die ganz im Gegenteil immer schlimmer wurden, je öfter man sie tat. Und trotzdem stellte sie schon bald etwas ganz Erstaunliches fest: Krons Wunde heilte langsam, aber sie heilte, und Arri begann Freude daran zu empfinden. Hatte sie sich noch am Anfang dazu zwingen müssen, den schrecklichen Stumpf auch nur anzusehen, so erfüllte sie nun jeder noch so kleine Fortschritt mit Freude. Bald musste sie sich nicht mehr dazu zwingen, sondern untersuchte die Wunde ganz im Gegenteil höchst aufmerksam und nahm jedes noch so winzige Zeichen einer Besserung voller Freude zur Kenntnis.
    Obwohl sie sich fest vorgenommen hatte, mit ihrer Mutter kein Wort mehr zu wechseln, bis diese von sich aus das Schweigen brach und zumindest die Andeutung einer Entschuldigung über die Lippen brachte, ertappte sie sich doch schon am dritten Tag dabei, ihr voller Stolz von den Fortschritten zu berichten, die Krons Heilung machte. Ihre Mutter sagte auch dazu nichts, aber in ihren Augen erschien ein sonderbar warmer Ausdruck, den Arri zwar nicht wirklich verstand, der aber dennoch irgendetwas zwischen ihnen zu bereinigen schien. Von diesem Augenblick an begriff sie sehr viel besser als zuvor, warum ihre Mutter das hier tat und die Menschen trotz allem, was sie ihr angetan hatten, noch immer heilte: weil es einfach ein gutes Gefühl war, einem anderen zu helfen.
    Zur selben Zeit setzten sie ihre nächtlichen Ausflüge in den Wald fort, und dabei schienen ihr Streit und die düsteren Wolken, die am Horizont des Schicksals aufgetaucht waren, gleichermaßen vergessen zu sein; als führten sie nicht nur zwei Leben - ein geheimes und ein für jeden sichtbares - , sondern wären in diesen unterschiedlichen Leben auch verschiedene Menschen. Der Groll auf ihre Mutter war ebenso vergessen wie deren Hass und die Verbitterung - und auch die sonderbare Mischung aus Ungeduld und Sorge, die Arri stets in ihren Augen las, wenn sie glaubte, ihre Tochter bemerke es nicht.
    Sie lernte viel in diesen Nächten. Ihre Mutter geizte zwar sehr viel mehr mit Lob als mit Tadel, vor allem dann, wenn sie der Meinung war, dass Arri irgendetwas nicht schnell genug begriff oder sich unnötig dumm anstellte; und dennoch spürte sie, dass sie im Grunde sehr zufrieden mit dem war, was sie sah. Die größte Freude bereiteten ihr die heimlichen Augenblicke, die sie auf der abgelegenen Waldlichtung mit der Unterweisung in ihr bislang vollkommen unbekannten Kampfarten verbrachten, immer sorgsam darauf bedacht, dass niemand auch nur im Entferntesten etwas davon mitbekam. Es war gar nicht auszudenken, was geschehen würde, wenn Sarn oder jemand anderes im Dorf davon Wind bekäme. Das Kriegshandwerk war Männersache, und die knappen Unterweisungen im Umgang mit Pfeil und Bogen, Knüppeln oder den wenigen kostbaren Kupfer- und Bronzewaffen war etwas, um das jedes weibliche Wesen einen großen Bogen machte. Es war schon außergewöhnlich genug, dass man einer Frau den Besitz eines Schwertes gestattete, und wohl nur auf den Umstand zurückzuführen, dass man sie als Fremde nie wirklich in die Dorfgemeinschaft aufgenommen hatte. Aber wenn Sarn erfahren hätte, dass Lea ihre Tochter in der Kampfkunst mit eben diesem Schwert unterwies - er hätte zweifellos damit den Grund

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