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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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und sie wollte dieses Unverständnis gerade in Worte kleiden, da erinnerte sie sich plötzlich an das sonderbare Gefühl, das sie verspürt hatte, als sie vorhin Krons Wunde verbunden hatte, und plötzlich glaubte sie zu verstehen, was ihre Mutter meinte. Es war ein wunderbares Gefühl, einem anderen helfen zu können, auch - und vielleicht sogar gerade - einem Fremden, dem sie diese Hilfe nicht schuldig war. Sie sagte nichts, sondern nickte nur, aber dieses Nicken schien ihrer Mutter Antwort genug zu sein, denn für einen Moment erschien ein Ausdruck ehrlicher Freude in ihren Augen, wie Arri sie schon viel zu lange nicht mehr darin gesehen hatte.
    »Ich werde später hinauf zum Steinkreis gehen«, fuhr ihre Mutter fort, wobei sie sowohl das Thema als auch die Tonlage wechselte. »Ich wollte mich dort mit jemandem treffen und möchte, dass du mich begleitest.« Sie warf einen Blick in den Himmel hinauf. »Lauf also nicht mehr allzu weit weg.«
    Arri hatte nicht vorgehabt, überhaupt irgendwo hinzulaufen - zumindest nicht, bis ihre Mutter das Wort Steinkreis ausgesprochen hatte. Konnte es sein, dass sie auf irgendeine rätselhafte Weise von ihrer Begegnung mit Sarn in dem alten Heiligtum erfahren hatte? »Mit. mit wem willst du dich denn dort treffen?«, stotterte sie.
    »Das wirst du schon noch früh genug sehen«, erwiderte ihre Mutter in einem Ton, der Arri klarmachte, wie sinnlos es war, weiter zu fragen. Das stimmte Arri nicht gerade ruhiger. Ihr schlechtes Gewissen wurde geradezu übermächtig, und als sie die Hütte erreichten, wollte sie die Gelegenheit nutzen, um vor ihrer Mutter die Stiege hinaufzueilen. Aber Lea hielt sie mit einer raschen Geste zurück. »Geh in den Wald und suche noch ein paar Blätter, um Krons Verband zu erneuern. Wenn wir zurück sind, möchte ich mir den Arm selbst ansehen.«
    Arri sah ihre Mutter einen Moment lang zweifelnd an - Lea hatte einen Vorrat von bereits gereinigten Blättern im Haus, der ausreichte, um Krons Arm bis zum nächsten Vollmond zu verbinden -, aber sie wandte sich dann gehorsam und mehr als nur ein bisschen beunruhigt um und hatte den Waldrand schon fast erreicht, als ihre Mutter, die bereits auf der obersten Stufe der Stiege stand, noch einmal stehen blieb und ihr nachrief: »Und bring noch ein paar von den braunen Pilzen mit - die mit den gerippten Köpfen.«
    »Aber dazu.«, begann Arri.
    »Musst du bis zur Quelle, ich weiß«, fiel ihr die Mutter ins Wort. »Ein Grund mehr, dich zu beeilen. Wenn du dich sputest, kannst du rechtzeitig zurück sein. Und nimm genug von den Pilzen. Am besten einen ganzen Korb.« Sie unterstrich ihre Worte mit einer auffordernden Geste auf den kleinen Anbau neben der Hütte hin, in der sie die Körbe und allerlei anderes Werkzeug sowie verschiedene Gebrauchsgegenstände untergebracht hatte, die sie nicht tagtäglich benötigten, und obwohl sich in ihrem Gesicht nicht ein einziger Muskel rührte, gelang es ihr trotzdem, mit einem Male deutlich unwilliger auszusehen; auf die ganz bestimmte Art, die ein Fremder vielleicht nicht einmal bemerkt hätte, die Arri aber zu der Überzeugung brachte, dass es jetzt eindeutig besser war, nicht noch einmal zu widersprechen.
    Trotzdem hätte sie es um ein Haar getan.
    Es war nicht der Weg zur Quelle, den sie scheute. Er war nicht so weit, dass er wirklich zur Mühe werden konnte, und seit etlichen Tagen ging sie ihn schließlich jede Nacht. Aber die Pilze? Sie hatte keine Ahnung, wozu ihre Mutter sie plötzlich so dringend brauchte -gewiss nicht, um ein neues Heilmittel für Kron daraus zu machen -, aber sie waren selten und wuchsen nur an einer einzigen Stelle, nämlich zwischen den Felsen auf der Waldlichtung, und auch dort nur in geringer Zahl. Arri glaubte nicht, dass sie auch nur den kleinsten der drei Körbe, die ihre Mutter besaß, voll bekommen würde, selbst wenn sie die Lichtung und ihre gesamte Umgebung absuchte. Ihre Mutter wollte sie wegschicken, und das für eine geraume Zeit, aber warum? Und warum sagte sie nicht einfach, dass sie allein sein wollte?
    Missmutig ging sie zum Schuppen, griff sich den kleinsten Korb aus geflochtenen Weidenzweigen und machte sich auf den Weg. Trotz der fast unmöglich zu lösenden Aufgabe, die ihr die Mutter aufgetragen hatte, ließ sie sich Zeit. Sie würde sowieso den Korb kaum zur Hälfte voll bekommen, und sie war darüber hinaus auch sehr sicher, dass Lea die Pilze ganz gewiss nicht nachzählen würde, ganz im Gegenteil - vermutlich würde sie

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