Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin
vortrefflich auf jede Einzelheit des Dienstes an Bord. Nachdem er als Hilfs-Flaggenofficier in der Kriegsmarine gedient hatte, war er zur Handelsmarine übergegangen und fuhr jetzt nur in Erwartung eines eigenen Befehlshaberpostens. Er galt mit Recht für einen sehr tüchtigen Seemann, der auf strenge Mannszucht zu halten gewöhnt war.
Von dem ersten Lieutenant Coquebert und dem zweiten, Allotte – zwei übrigens auch recht guten Officieren – wäre nur ihr außerordentlicher, zuweilen selbst unkluger Eifer bei der Verfolgung von Walfischen zu erwähnen; beide wetteiferten in Schnelligkeit und Kühnheit; sie suchten einander gern zu überholen, unbekümmert ob sie – trotz der Warnungen und ernstlichen Einschärfungen des Kapitäns Bourcart – dabei ihre Boote aufs Spiel setzten oder nicht. Der Eifer des Fischers beim Fischfang wiegt eben den Eifer des Jägers bei der Jagd auf… er reißt, eine instinctive Leidenschaft, unwiderstehlich mit sich fort. Die beiden Lieutenants steckten damit auch mehr als nöthig ihre Leute an, vor allem Romain Allotte.
Nur wenige Worte seien dem Bootsmanne Mathurin Ollive gewidmet. Der kleine, hagere und sehnige, jeder Anstrengung gewachsene Mann, der eifrig seines Amtes waltete, auch gute Augen und gute Ohren hatte, besaß die besonderen Eigenschaften, die man an einem Kammerunterofficier der Marine zu sehen gewöhnt ist. Von allen Leuten an Bord war er unzweifelhaft der, der sich am wenigsten für die Einbringung von Walfischen interessierte. Mochte ein Schiff eigens für diesen Zweig des Fischfanges ausgerüstet oder zur Beförderung von Frachtgut beliebiger Art von einem Hafen zum anderen bestimmt sein: Meister Ollive bekümmerte sich nur um das, was unmittelbar mit der Navigation zusammenhing. Der Kapitän Bourcart schenkte ihm das größte Vertrauen, und er rechtfertigte dieses glänzend.
Was die acht Matrosen angeht, so hatte die Mehrzahl davon schon die letzte Reise des »Saint Enoch« mitgemacht, und sie bildeten eine ebenso zuverlässige wie geübte Mannschaft. Unter den elf Leichtmatrosen waren sechs, die die rauhe Lehrzeit des großen Fischfanges zum erstenmale erprobten. Die jungen Leute, im Alter von vierzehn bis zu siebzehn Jahren, sollten im Vereine mit den Matrosen bei der Bemannung der Boote Verwendung finden.
Die übrigen, der Schmied Thomas, der Böttcher Cabidoulin, der Zimmermann Ferut, der Koch und der Tafelmeister gehörten, mit Ausnahme des Böttchers, alle seit drei Jahren zur ständigen Mannschaft und waren mit ihren Obliegenheiten vollkommen vertraut.
Es sei noch hinzugefügt, daß Meister Ollive und Meister Cabidoulin schon alte Bekannte und wiederholt zusammen zur See gefahren waren. Der erstgenannte, der schon wußte, was von der Manie des zweiten zu erwarten war, hatte diesen gleich in vertrauter Weise begrüßt.
»He, Alterchen, da bist Du ja!
– Jawohl, in eigener Person, sagte der zweite.
– Du willst es wirklich noch einmal wagen?…
– Wie Du siehst.
– Und immer mit der verwünschten Idee, daß es schlecht ablaufen werde?
– Sogar sehr schlecht, antwortete der Böttcher ernsthaft.
– Na gut, fuhr Mathurin Ollive fort, ich hoffe aber, daß Du uns mit Deinen Geschichten verschonen wirst…
– Das möcht’ ich denn doch nicht versprechen.
– So halt’ es, wie Du willst; wenn uns jedoch ein Unglück zustößt…
– Ist’s eben ein Beweis, daß ich mich nicht geirrt habe!« erklärte Jean-Marie Cabidoulin.
Wer weiß, ob der Tonnenbinder nicht jetzt schon bedauerte, auf das Angebot des Kapitäns Bourcart eingegangen zu sein.
Als der »Saint Enoch« über die Hafendämme hinausgekommen war, wurde, da der Wind zum Auffrischen neigte, Befehl gegeben zum Beisetzen der Marssegel, in die der Bootsmann zwei Reffe schlagen ließ. Sobald der »Herkules« sein Schlepptau losgeworfen hatte, wurde das ausgeführt, ebenso auch das kleine Klüversegel entfaltet, und der Kapitän ließ nachher noch den Fockmast ausrüsten. Unter diesen Verhältnissen konnte der Dreimaster – ein Barkschiff – gegen den Nordost aufkreuzen, um die vorspringende Spitze von Barfleur zu umsegeln.
Der »Saint Enoch« mußte sich sehr dicht am Winde halten, trotzdem glitt er aber mit der Geschwindigkeit von zehn Knoten dahin.
Drei Tage lang machte sich das Kreuzen nöthig, dann erst konnte der Lootse bei la Hougue ausgeschifft werden. Von nun an ging die Fahrt den Canal la Manche hinunter in gewöhnlicher Weise weiter. Die günstige Brise, die bisher
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