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Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin

Titel: Die Historien von Jean-Marie Cabidoulin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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einer den anderen kaum noch auf einige Meter weit erkennen. Die einzuhaltende Richtung mußte in solchen Fällen mittels des Compasses festgestellt werden, dessen abgelenkte Nadel auch nur sehr unzuverlässige Auskunft gab. Bourcart nahm schon an – er vertraute das aber nur Heurtaux an – daß sie sich in der grenzenlosen Einöde verirrt hätten. Er sah sich daher, statt geraden Weges nach Süden vorzudringen, genöthigt, am Rande des Eisfeldes hinzuziehen, woran sich oft die Meereswellen donnernd brachen… Wenn sich das Meer hier nun aber ohne Ende ausdehnte…? Blieb dann vielleicht nichts anderes übrig, als Eisschollen zu besteigen, um womöglich auf diesen die sibirische Küste zu erreichen?… Doch nein; mit der weiter sinkenden Temperatur mußten die aneinander gedrängten Schollen ja schließlich zu einem festen Felde im Becken des Polarmeeres zusammenfrieren. Dauerte es freilich noch wochenlang, ehe das Meer genügend fest wurde, so drohten die Nahrungsmittel trotz des sparsamsten Verbrauches zu Ende zu gehen, und das Holz, das doch nur zur Bereitung der Speisen Verwendung fand, schließlich zu fehlen.
    Mehrere Leichtmatrosen waren schon jetzt am Ende ihrer Kräfte, und der Doctor Filhiol widmete ihrer Pflege die größte Aufmerksamkeit. Wie viele Mühe und Beschwerde wäre erspart worden, wenn die Schlitten jetzt ein Gespann jener ausdauernden Hunde gehabt hätten, die an die Wege durch die sibirischen und kamtschadalischen Ebenen gewöhnt sind! Mit wahrhaft wunderbarem Instinct begabt, vermögen diese Thiere sich noch beim schlimmsten Schneetreiben zurecht zu finden, wenn ihre Herren längst Weg und Steg verloren haben.
    Unter den geschilderten Verhältnissen kam der 19. November heran.
    Vierundzwanzig Tage waren seit dem Aufbruche verstrichen. Es war unmöglich gewesen, immer nach Südwesten zu marschieren, dahin, wo Bourcart in der Nähe der Liakhovinseln auf die am weitesten hervorspringenden Spitzen des Festlandes zu treffen gehofft hatte.
    Die Nahrungsmittel waren fast erschöpft… vor Ablauf von achtundvierzig Stunden konnte den Schiffbrüchigen nichts weiter übrig bleiben, als ein letztes Mal Halt zu machen und da den entsetzlichsten Tod abzuwarten…
    »Ein Schiff!… Ein Schiff!«.
    Endlich stieß Romain Allotte, es war am Morgen des 20. November, diesen lang erwarteten Ruf aus, und bald sahen auch alle das Fahrzeug, das des Lieutenants scharfe Augen entdeckt hatten.
    Es war ein dreimastiges Barkschiff, ein Walfänger, der bei frischer Nordwestbrise mit allen Segeln der Behringstraße zusteuerte.
    Bourcart und alle übrigen, die jetzt plötzlich ihre Kräfte wiederfanden, ließen die Schlitten stehen und stürmten nach dem Rande des Eisfeldes.
    Hier wurden sofort Signale gegeben und Flintenschüsse abgefeuert.
    Auf dem Schiffe hatte man diese bemerkt und die Schüsse gehört. Die Bark legte bei und bald stießen zwei Boote von ihr ab.
    Eine halbe Stunde später befanden sich die Schiffbrüchigen an Bord, voll des Dankes für die ihnen durch die Vorsehung gesandte Rettung.
    Das betreffende Schiff, die »World« aus Belfast, hatte seinen Fang etwas verspätet beendigt und war auf der Fahrt nach Neuseeland begriffen.
    Wir brauchen wohl kaum hervorzuheben, daß der Besatzung des »Saint Enoch«, ebenso wie der des »Repton« der gastlichste Empfang zutheil wurde. Und als die beiden Kapitäne berichtet hatten, unter welch außergewöhnlichen Umständen ihre Schiffe zu Grunde gegangen waren, da mußte man ihnen, trotz mancher Unklarheiten bei dem wunderbaren Vorgange, wohl oder übel glauben.
    Nach Verlauf eines Monats setzte die »World« die Ueberlebenden von dem schauerlichen Seeunfalle in Dunedin ans Land.
    Da trat der Kapitän King an den Kapitän Bourcart heran, um sich zu verabschieden.
    »Sie haben uns, sagte er, an Bord des »Saint Enoch« aufgenommen, und ich habe Ihnen dafür gedankt…
    – Wie wir Ihrem Landsmanne, dem Kapitän Morris, Dank schulden, uns an Bord der »World« aufgenommen zu haben, antwortete Bourcart.
    – Demnach sind wir also quitt, erklärte der Engländer.
    – Ja, wenn es Ihnen beliebt…
    – Guten Abend!
    – Guten Abend!«
    Das war der ganze Abschied.
    Trotz der unheimlichen Prophezeiungen, womit Meister Cabidoulin nicht im geringsten geizte, war die »World« doch glücklich genug, während ihrer Fahrt vom Eismeer bis Neuseeland weder einem Kraken, einem Calmar oder Kopffüßler, noch auch einer Seeschlange, oder wie man die eingebildeten Ungeheuer sonst

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